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Zu wenig Sorgfalt

«Ökofimmel: Wie wir versuchen, die Welt zu retten – und was wir damit anrichten». Der Titel des Werkes von Spiegel-Autor Alexander Neubacher hört sich gut an. Eine interessante Ferien-Lektüre dachte ich mir und kaufte das E-Book. Von der ersten Zeile an schiesst der Autor scharf gegen die Ökoszene. Ich finde dies soweit ok, weil ich gerne von Leuten lese, die Themen aus einer anderen Perspektive angehen als üblich. Neubacher beginnt mit nicht ganz unbekannten Themen – kontraproduktive Mülltrennung, Dosenpfand verdrängt Mehrwegflasche, Energiesparlampen als Quecksilberschleudern. Zwischendurch muss ich sogar schmunzeln – zum Beispiel wenn er von der muffig schmeckenden Welsart Pangasius aus Vietnam schreibt, aus denen Biofischstäbchen gemacht werden.

Doch dann geht es bald los mit den Halbwahrheiten: Der grössere Flächenverbrauch von weidenden Biorindern im Vergleich zu eingestallten Rindern wird wieder einmal thematisiert. Das Argument: auf der gleichen Fläche könnte Kraftfutter angebaut werden, mit dem mehr Rinder in den Ställen gefüttert werden könnten. Geht man davon aus, dass jeder Erdenbürger täglich Anspruch auf einen Hamburger hat, dann geht diese Gleichung vielleicht auf. Dass es für die Produktion von Kraftfutter Dünger braucht – verbunden mit einem entsprechenden Energieeinsatz zu dessen Herstellung –, wird aber gerne ausgeblendet. Natürlich gräbt Neubacher in diesem Zusammenhang auch wieder das Argument der rülpsenden Klimasünder auf den Weiden aus. Aber: Eine Kuh, die nur Gras frisst, schädigt das Klima eigentlich nicht. Bliebe das Gras nämlich ungenutzt, würde es früher oder später faulen und beim Gärprozess ebenfalls Methan freisetzen. Methan oxidiert übrigens nach rund zehn Jahren zu CO2. Eine «Graskuh» scheidet also nicht mehr klimaschädliche Gase aus, als sie mit dem organischen Futter Gras aufnimmt. Solche Kühe sind also eigentlich klimaneutral. Natürlich könnte der weltweit aufkommende Fleischhunger mit solchen Kühen nicht gestillt werden, und darin liegt eigentlich das Hauptproblem. Doch Neubacher macht sich lieber lustig über Leute, die sich über mehr Qualität beim Fleischkonsum Gedanken machen (Flexitarier).

Ein paar Seiten später folgt der Rundumschlag mit Spanischen Biotomaten. Neubacher schreibt: «Wenn gedüngt und gespritzt wird, wird die Bioware vorübergehend zugedeckt, damit sie nichts abbekommt – angeblich.»Meine Vermutung: Neubacher hat noch nie ein modernes Gewächshaus von innen gesehen. Darin tummeln sich heute nämlich so viele Nützlinge, dass Spritzmittel im konventionellen Gewächshausanbau kaum mehr eingesetzt werden, weil die Nützlinge sonst draufgehen würden. Zudem sollte Neubacher wissen, dass die vom Handel und Gesetz erlaubten Rückstände von Spritzmitteln in Gemüse heute so tief sind, dass bei einzelnen Kulturen im Freiland der Anbau kaum mehr möglich ist. Wenn schon wäre die Geschichte die, dass Hors-sol-Gewächshäuser heute geschlossene hoch effiziente Systeme darstellen, die die Umwelt kaum mehr direkt belasten. Ganz im Gegensatz zum biologischen Anbau, in dem Hors-sol verboten ist: Überschüssiger Dünger versickert hier eher im Boden, die Klimasteuerung ist schwieriger und deshalb das Aufkommen von Krankheiten (wegen zu viel Feuchtigkeit) wahrscheinlicher. Was aber nicht heisst, dass es so ist.

Weiter hinten im Buch fragt Neubacher:«Und wo soll eigentlich der ganze Mist für den Ökolandbau herkommen, wenn alle Menschen Vegetarier sind und dementsprechend weniger Nutztiere gezüchtet werden?» Ich kann Neubacher beruhigen: Es gibt genug Pflanzen, die auch ohne Mist wachsen. Schon einmal etwas von aus der Luft stickstoffbindenden Leguminosen gehört? Oder von Kompost? Einmal davon abgesehen, dass es weniger Dünger brauchen würde, wenn mehr Pflanzen anstatt Fleisch konsumiert würde. Neubacher selbst schreibt ja, dass bei einem Kilo Kartoffeln nur 200 Gramm CO2 anfallen würden, währenddem für die gleiche Menge Rindfleisch 13,3 Kilo anfallen würden.

Und zu guter Letzt noch dies: Die Aussage Neubachers im Zusammenhang mit Gentechmais, dass der Stängelbohrer über die eingelagerte Maissernte herfalle und grossen Schaden anrichte ist schlicht falsch. Wie der Name es schon sagt, befällt der Schädling die Stängel von Mais, der auf dem Feld steht und nicht die Ernte. Nur um korrekt zu bleiben.

Die von mir erwähnten Passagen mögen Details sein. Doch würde ich bei einem Buch, das im Spiegel-Verlag erschienen ist, eigentlich grundsätzlich schon etwas mehr Sorgfalt erwarten. Die eigentlich interessanten und unterhaltsamen Teile des Buches erscheinen so in einem schlechten Licht. Und das ist schade!

Veröffentlicht in Blog

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