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Süsskartoffeln als Trendkultur

Die Nachfrage nach Schweizer Süsskartoffeln ist grösser als das Angebot. Viele Bauern denken deshalb über den Anbau der wärmeliebenden Kultur nach. Doch der Einstieg muss gut überlegt sein.

Die Parzelle mit den Süsskartoffeln hat es hier im Berner Seeland in den letzten Wochen arg erwischt: ein Hagelschlag und sintflutartige Niederschläge haben den noch jungen Pflanzen ziemlich stark zugesetzt. Das nun etwas havarierte Kraut sieht sonst ein bisschen aus wie eine Mischung aus Efeu und Winden. Landwirt Simon van der Veer aus Sutz-Lattrigen BE weiss, dass sich die Pflanzen erholen werden: «Schon in drei Wochen wird das Kraut der Süsskartoffeln den ganzen Acker hier bedecken». Van der Veer und sein Schwager Christian Hurni gelten in der Schweiz als Süsskartoffel-Pioniere, obwohl vor ihnen schon andere Landwirte im kleineren Rahmen Süsskartoffeln anbauten. Im Unterschied zu ihnen macht er dies aber seit ein paar Jahren zusammen mit Schwager Christian Hurni im grösseren Stil. Sie planen die Kultur gemeinsam und verkaufen sie seit ein paar Jahren unter der eigenen Marke Batati.

Simon van der Veer baut mit seinem Schwager Süsskartoffeln an und verkauft sie unter der Marke Batati.

Leute wollen Schweizer Süsskartoffeln

Süsskartoffeln boomen zurzeit in der Schweiz. Bei Migros steigen die Verkäufe jedes Jahr an, nur rund 15 Prozent davon kommen beim Grossverteiler aber zurzeit aus hiesigem Anbau. Das Interesse der Konsumenten nach lokalen Süsskartoffeln ist trotz doppelt so hohen Preisen im Vergleich zur Importware aber hoch. Es besteht also noch Potenzial nach oben. Kein Wunder, sind viele Landwirte im ganzen Land zurzeit am Pröbeln und legen versuchsweise ein paar Reihen Süsskartoffeln an. Doch was braucht es, um ein erfolgreicher Süsskartoffelproduzent zu sein? Sicher eine gewisse Risikobereitschaft. «Die Kultur eignet sich nicht für Bauern, die bereits das erste Gewitter fürchten», sagt van der Veer. Denn nur schon die Setzlingskosten seien relativ hoch und wirkten auf viele abschreckend. Zudem besteht kein Grenzschutz. Schweizer Süsskartoffeln stehen deshalb im direkten Wettbewerb mit deutlich günstigerer Importware, die oft sogar aus Übersee kommt. Man ist voll auf den Goodwill der Konsumenten angewiesen und deren Bereitschaft, die teureren Süsskartoffeln aus der Region zu kaufen. Zurzeit funktioniert das zwar, das ist aber nicht bis in alle Ewigkeit in Stein gemeisselt.

Jungpflanzenbeschaffung ist schwierig

Die Süsskartoffel-Stecklinge werden auf Dämme gepflanzt. (Bildautor: Simon van der Veer)

Weltweit ist die Süsskartoffel nach Kartoffeln und Maniok mengenmässig die drittwichtigste Wurzel- und Knollenpflanze. Bis vor ein paar Jahren war der Anbau der wärmeliebenden Süsskartoffeln in Nordeuropa kaum möglich. Dank robusteren Sorten und tendenziell wärmerem Klima werden sie aber mittlerweile auch in Norddeutschland und Grossbritannien angebaut. Die zu der Familie der Windengewächse gehörende Pflanze braucht mindestens vier frostfreie Monate und ausreichend Wärme um überhaupt erst auf Touren zu kommen. Leichtere, sandige Böden eignen sich auch deshalb besser für den Anbau der auch Knollenwinde genannten Kultur. Setzlinge sind wegen des in Europa anhaltenden Booms nicht immer in ausreichenden Mengen verfügbar. Sie werden nach dem letzten Frost Ende Mai oder Anfang Juni auf Dämme gesetzt, mit einem Abstand von zwischen 30 und 40 cm, der Reihenabstand beträgt üblicherweise zwischen 75 und 90 cm. Wenn zu eng gepflanzt wird, besteht die Gefahr, dass die Wurzeln zu kleine Knollen bilden oder umgekehrt auch zu grosse. Der Handel bevorzugt mittlere Grössen von zwischen 200 und 800 Gramm. Pro Pflanze entwickeln sich im Boden zwischen gar keiner und fünf Knollen. Mit dieser relativ grossen Spanne müssen Süsskartoffel-Produzenten leben.

Vorsicht bei Selbstvermehrung

Die Süsskartoffel-Stecklinge werden auf Dämme gepflanzt.

Als Alternative zu Jungpflanzen in Speedy-Töpfen können auch günstigere Triebe – sogenannte Slips – gepflanzt werden. Viele Direktvermarkter mit kleinen Anbaumengen stellen diese selbst her. Aber Achtung: die meisten Sorten sind lizenziert und dürfen nicht selbst vermehrt werden. Eine Ausnahme ist die Sorte Beauregard, die in Europa aber zu den ertragsreichsten Süsskartoffelsorten zählt. Zur eigenen Vermehrung legt man eine Mutterknolle in eine etwa 20 cm dicke Substratschicht und lässt sie rund drei Wochen bei Temperaturen um die 20 Grad austreiben. Dann schneidet man die Ranken in 20 bis 25 cm lange Stücke, die zwei Nodien enthalten müssen. Danach werden die Stecklinge etwa eine Woche in Wasser gelegt bis sie Wurzeln entwickeln und dann auf die 20 bis 30 cm hohen Dämme in 5 bis 8 cm Tiefe gepflanzt. Für grössere Anbauflächen ist der Aufwand für die manuelle Vermehrung aber zu gross und der Ernteerfolg weniger garantiert, als bei zugekauften Jungpflanzen. Für van der Veer ist es auch eine Frage der Sicherheit: «Der Lieferant garantiert mir, dass die Jungpflanzen virenfrei sind». Zudem sei die Lizenzfrage geregelt. Er habe keine Lust, in ein Rechtsverfahren mit amerikanischen Anwälten verwickelt zu werden. Denn selbst bei der Sorte Beauregard gebe es lizenzierte Varianten. Er rät deshalb allen Selbstvermehrern, sich vorab entsprechende Informationen einzuholen.

Bewässerung ist nötig

Vor allem zu Beginn reagiert die Kultur empfindlich auf Trockenheit. Es ist deshalb von grossem Vorteil, wenn die Süsskartoffel-Parzelle bewässert werden kann. Ausserdem müssen Süsskartoffeln ausreichend gedüngt werden. Amerikanische Quellen gehen von Düngemengen von je 70 kg Stickstoff und Phosphor sowie 220 kg Kali pro Hektare aus, die etwa 28 Tage nach der Pflanzung verabreicht werden. Diese Mengen müssen auf Schweizer Verhältnisse angepasst werden. Van der Veer beispielsweise versorgt seine Parzellen mit einer einmaligen Gabe von einer Tonne Volldünger vor der Pflanzung. Um die Wärme besser zu nutzen, können die Jungpflanzen auch auf Folie gepflanzt werden, auch der Anbau im Folientunnel ist eine Möglichkeit. Vor allem in der Anfangsphase dauert es relativ lange, bis sich das Kraut bildet. Der Unkrautdruck muss in dieser Zeit entsprechend gering gehalten werden. Zur Unkrautbekämpfung bietet sich das Herbizid Centium an oder die maschinelle mechanische Bearbeitung mit der Hacke. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass die Pflanzen zu fest beschädigt werden. Je nach Geschwindigkeit der Krautentwicklung sind auf jeden Fall mehrere Jätdurchgänge angezeigt, von Hand versteht sich!

Sandige, leichte Böden, die sich bewässern lassen, sind ideal für den Anbau von Süsskartoffeln.

Krankheiten und Schädlinge in Süsskartoffeln sind in der Schweiz bisher noch kein grosses Thema. Die Kultur ist deshalb auch im biologischen Anbau beliebt. Bei Van der Veer wüten an einzelnen Stellen Drahtwürmer: «Diese haben Süsskartoffeln sogar etwas lieber als die normalen Kartoffeln.» Unter anderem die Einhaltung einer dreijährigen Anbaupause soll dafür sorgen, dass die relativ entspannte Pflanzenschutzsituation noch möglichst lange so bleibt. Die Fruchtfolge ist ähnlich wie bei Kartoffeln. Als Windengewächse geht vorher und nachher eigentlich so ziemlich alles. Der Blick auf amerikanische Quellen und umfangreiche Spritzpläne lässt aber erahnen, was einmal blühen könnte, falls sich der Süsskartoffelanbau in der Schweiz grossflächig durchsetzen würde.

Spezielle Lagerung nötig

Ab Ende September ist ein Blick unter die Erde nötig, um zu sehen, ob die Grösse der Knolle für die Ernte bereits genügt. Kleinere Produzenten graben die Knollen vorsichtig von Hand mit einer Gabel aus. Grössere Anbauer wie van der Veer und Hurni ernten kombiniert maschinell und von Hand. Nachdem sich ein alter Schüttelgraber der Firma Bucher und ein angepasster Karottengraber in den Vorjahren nicht bewährt haben, kommt bei ihm in diesem Herbst noch einmal ein anderes speziell präpariertes Erntegerät zum Einsatz. Die frisch geernteten Knollen werden ohne Erdbesatz aber ungewaschen dem sogenannten «Curing» unterzogen. Um die Lagerfähigkeit zu verbessern werden dabei die Schalen der Süsskartoffeln bei hoher Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent und Temperaturen von 30 Grad in einem separaten Raum gehärtet. Die längere Lagerfähigkeit dürfte mit zunehmenden Anbaumengen auch in der Schweiz an Bedeutung gewinnen. Denn Konsumentinnen und Konsumenten kaufen vor allem in der Weihnachtszeit Süsskartoffeln. Zurzeit gibt es bis dann allerdings beim Grossverteiler bereits kaum mehr Schweizer Ware, weil das Angebot halt immer noch begrenzt ist. Diese Lücke könnte von Schweizer Bauern aufgefüllt werden. Doch der Einstieg in den Süsskartoffelanbau muss gut überlegt sein. Klein übt sich, ist ein guter Ansatz und vor allem auch für Direktvermarkter ein vernünftiger Weg, um das Sortiment ohne grosses Risiko mit einem immer beliebter werdenden Produkt zu erweitern.


(Bildautor: Simon van der Veer)

Süsskartoffel (Ipomoa batatas)

Sie stammt im Unterschied zur «normalen» Kartoffel aus der Pflanzenfamilie der Windengewächse. Die Süsskartoffel bildet Speicherwurzeln in Knollenform. Sie kommt ursprünglich aus den Tropen. Hauptanbauland ist China; in Europa sind es Italien, Spanien und Portugal. Je nach Sorte ist das Fleisch orange, violett oder rot. Häufig in Europa angebaute Sorten sind Beauregard, Covington, Evangelina oder Bonita. Die Süsskartoffel enthält wenig Kalorien und viele Nährstoffe wie Kalium, Vitamin C und A. In der Küche werden sie ähnlich verwendet wie sonstige Kartoffeln.

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