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Stefan Mutzner: «Der grosse Boom ist ausgeblieben»

mutznerZurzeit sind in der Schweiz 85 landwirtschaftliche Biogasanlagen in Betrieb: Weshalb steigt die Zahl der landwirtschaftlichen Biogasanlagen nur so langsam?

Stefan Mutzner*: Die Zahl der landwirtschaftlichen Biogasanlagen nimmt kontinuierlich zu. Biogasanlagen und die anderen Biomassekraftwerke produzieren in der Schweiz fast drei Mal mehr Strom als die medial viel präsenteren Photovoltaikanlagen. Für die Energiewende sind aber alle erneuerbaren Energien nötig. Viele bestehende landwirtschaftliche Anlagen haben ihre Kapazitäten erweitert oder die Leistung durch technische Verbesserungen gesteigert. Beispielsweise mit dem nachträglichen Einbau von Querstromzerspanern, die strukturreiches Material wie Mist zerkleinern und so eine deutliche Erhöhung der Gasausbeute ermöglichen. Auch deshalb ist die Stromproduktion von landwirtschaftlichen Biogasanlagen in den letzten vier Jahren von 45 auf 110 Gigawattstunden gestiegen.

Wie viele landwirtschaftliche Biogasanlagen wird es dereinst geben?

Ich sehe die Obergrenze mit den aktuell eher schwierigen Rahmenbedingungen bei rund 150 Anlagen.

Weshalb sind es nicht mehr?

Einerseits sind die Co-Substrate nur begrenzt verfügbar, andererseits werden die baulichen und organisatorischen Auflagen von Seiten der Behörden immer strenger. Und oft erheben Nachbarn bei Biogasprojekten Einspruch. Der zunehmende administrative Aufwand wirkt abschreckend auf Interessenten. Zudem stelle ich eine gewisse Beamtenwillkür fest, beispielsweise wenn beim Bau Abgasnormen vorgeschrieben werden, die erst in der politischen Vernehmlassung sind. Unsere Organisation verbringt extrem viel Zeit mit der Unterstützung von Projekteignern für juristische Verfahren sowohl in der Baubewilligung- und Betriebsphase sowie bei Erneuerungen von Betriebsbewilligungen.

Wie sieht es mit der Beschaffung von Co-Substraten aus?

Die Situation hat sich stark beruhigt. Zum einen wurden viele geplante Anlagen gar nicht gebaut. Zum anderen koordiniert Ökostrom Schweiz die Beschaffung von Co-Substraten für die landwirtschaftlichen Biogasanlagen.

Photovoltaikanlagen sind in den letzten Jahren massiv günstiger geworden. Wie sieht das bei den Biogasanlagen aus?

Wegen den steigenden technischen Anforderungen und höherem administrativen Aufwand haben die Gestehungskosten von Biogasanlagen in den letzten Jahren sicher nicht abgenommen. Biogasanlagen können ohne Unterstützung nicht kostendeckend Strom produzieren. Weil die KEV-Gelder aber mehr als knapp sind, die Warteliste lang ist und das System in den nächsten Jahren durch ein neues Unterstützungssystem abgelöst werden soll, entstehen weitere Unsicherheiten. Zudem wechseln die rechtlichen Rahmenbedingungen dauernd. Die Energieverordnung wurde beispielsweise in den letzten Jahren jährlich zwei Mal revidiert.

Wie steht es eigentlich um den Hofdüngerbonus?

Ökostrom Schweiz fordert diese zusätzliche Unterstützung für ausschliesslich mit Hofdünger betriebene Biogasanlagen seit Jahren. Denn Biogasanlagen produzieren nicht nur Strom und Wärme, sondern leisten auch einen beachtlichen Beitrag an den Klimaschutz und können bedarfsgerecht Strom produzieren. Immer noch werden nur 3 bis 4 Prozent des Hofdüngers der Bauernhöfe energetisch genutzt. Politisch ist der Beitrag umstritten.

*Stefan Mutzner ist Geschäftsführer von Ökostrom Schweiz. In der Genossenschaft sind über 110 Landwirte zusammengeschlossen.

www.oekostromschweiz.ch

 

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CO2-Bescheinigungen und CO2-Zertifikate

Neben den Einnahmen aus dem Stromverkauf bietet der Verkauf von CO2-Reduktionsbescheinigungen und CO2-Zertifikaten den Betreibern von Biogasanlagen die Möglichkeit einer weiteren Einnahmequelle, um die Anlagen rentabel zu betreiben: Durch die Verstromung von Methan in der Biogasanlage – Methan ist 25 Mal klimaschädlicher als CO2 – wird verhindert, dass dieses direkt aus dem Hofdünger in die Atmosphäre entweicht. Das globale Erwärmungspotenzial (GWP) rechnet die Klimawirksamkeit von Methan in entsprechende Mengen CO2 um. Die eingesparten CO2-Mengen können von Unternehmen und Privaten zur CO2-Kompensation praktisch aller erdenklichen Prozesse, Produkte und Dienstleistungen eingekauft und angerechnet werden. Ökostrom Schweiz ist in diesem Bereich eine Pionierunternehmung: Die Genossenschaft hat ein Bündel von landwirtschaftliche Biogasanlagen unter dem ISO -14064-Standard registriert und bereits fünf Bündel beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) eingereicht, in denen jeweils mehrere Biogasanlagen zusammengefasst sind. Ökostrom Schweiz ist Eignerin des allerersten vom BAFU in der Schweiz registrierten Klimaschutzprojektes. Diverse Organisationen, Unternehmungen und Private kaufen direkt bei Ökostrom Schweiz CO2-Reduktionsbescheinigungen und CO2-Zertifikate ein, um ihre Bedürfnisse im Klimaschutz abzudecken.

Veröffentlicht in Blog

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