Die Bioforellen aus Uerkheim leben in Naturteichen unter Bäumen. Sie haben dort viel mehr Raum als Fische in konventionellen Zuchten.
Es ist ein Freudentag für Susanne Flückiger, wenn sie im Frühling die kleinen Forellen im Naturbecken aussetzen kann. Die quirligen Fischlein wachsen dort während mindestens 18 Monaten zu prächtigen Speisefischen heran. An den kleinen Forellen freuen sich aber auch Vater und Mutter Eisvogel. Für Sie ist nun das Schlaraffenland eröffnet, es ist sogar biozertifiziert. «Natürlich ärgert es mich, wenn sie sich mit einem Fischchen im Schnabel mit einem höhnisch klingenden Pfeifen in Richtung Nest verabschieden», sagt die leidenschaftliche Fischzüchterin. Doch sie ist auch eine Naturfreundin: Deshalb weint zwar das eine Auge, während das andere zumindest ein bisschen lacht.
Forellen in Naturweihern
Susanne Flückigers Schwiegervater baute vor über 50 Jahren am Dorfrand von Uerkheim AG die neun Naturweiher und die Aufzuchtbecken. Die Regenbogenforellen, die er damals einsetzte, stammen aus einem Zucht-Projekt für Forellen der Fischforschungsanstalt Starnberg in Bayern, mit dessen Leiter er befreundet war. Regenbogenforellen wurden einst aus Nordamerika eingeführt. Sie wachsen schneller als unsere Bachforellen. Trotzdem schwimmen in den Teichen in Uerkheim seit jeher auch Bachforellen, die ursprünglich aus den örtlichen Bächen stammen. «Gourmets lieben ihr besonders zartes Fleisch!», sagt Flückiger. Alle ihre Forellen stammen immer noch von diesen ursprünglichen Tieren ab. «Ich suche mir die Zuchtfische nach verschiedenen Kriterien gezielt aus und pflege diese Zuchtlinie», erklärt die Forellenzüchterin.
Das Know-how dafür eignete sie sich mit den Jahren von ihrem Mann an, der die Fischzucht von seinem Vater Anfangs der 1980er-Jahre übernahm. Vor über zehn Jahren liessen sie den Betrieb nach den Richtlinien von Bio Suisse zertifizieren. Das war bei den Naturweihern relativ einfach: «Wir mussten nur das Futter wechseln, das nun biozertifiziert ist, sonst waren alle Kriterien bereits erfüllt», sagt Flückiger. Seit ihr Mann vor drei Jahren gestorben ist, führt sie den Betrieb alleine mit Hilfe ihres Angestellten Tobias Wilhelm und von weiteren guten Bekannten. «Ohne diese Heinzelmännchen wäre es schwierig.»
Zehn Jahre alte Zuchtfische
In der Natur nutzen Forellen die Winterzeit zur Eiablage. «Die Menge von Sonnenlicht und die Temperatur entscheiden über den genauen Laich-Zeitpunkt», erklärt Flückiger. Auch ihre Zuchtfische richten sich nach den natürlichen äusseren Bedingungen: Zwischen Dezember und März werden alle Mutter- und Vatertiere eingefangen, um die Eier und das Sperma abzustreifen. Die Fische sind riesig und bis zu 90 cm lang. Von der Genetik her brächten sie es sogar bis auf 150 cm, sagt Susanne Flückiger. «Doch dann reicht die Kraft meiner Hände nicht mehr aus, um sie zu halten». Deshalb endet für diese Fische das Leben mit acht bis zehn Jahren. Dank ein paar Tropfen Nelkenöl im Wasser sind die Fische ruhig, wenn die Spezialistinnen mit leichtem Druck entlang der Bauchseite bei den Weibchen die Eier und bei den Männchen die Milch (das Sperma) herausstreifen, wie es im Fischerjargon heisst.
Pro Kilogramm Fisch sind es rund 2000 Eier, die aus dem Bauch herausflutschen.
Danach vermischt Susanne Flückiger die Eier und das Sperma ganz vorsichtig in einem Becken, damit möglichst jedes Ei für ein Spermium erreichbar wird und fügt etwas Wasser dazu. Hektik sei hier falsch am Platz. Sie ist überzeugt: Stress würde sich negativ auf die Befruchtung auswirken. Bereits nach kurzer Zeit sind die Eier befruchtet. Mit einer Pinzette entnimmt Susanne Flückiger die paar wenigen weissen Hüllen der nicht befruchteten Eier. Die befruchteten Eier giesst sie nun in grosse Brutgläser – sogenannte Zugergläser – im Brutraum. Ein Glas kann bis zu 80’000 Eier aufnehmen. An diesem Tag sind es rund 30’000. Jetzt entscheidet die Wassertemperatur, ob die kleinen Forellen in vier oder fünf Wochen schlüpfen.
In der wilden Natur würden nur ganz wenige von diesen Eiern oder den draus geschlüpften Fischchen überleben. Das Weibchen legt die Eier erst, wenn ein Männchen da ist, das sein Sperma ablässt. Und dann warten viele Fressfeinde auf die Brut. In Uerkheim ist die Umgebung deutlich lieblicher: «Bei uns beträgt die Befruchtungsrate bis zu 98 Prozent und rund 85 Prozent schlüpfen schliesslich auch aus», sagt die Forellenzüchterin. Die kleinen Forellen müssen sich hier vor allem vor den Eisvögeln fürchten. «Das sind durchaus beträchtliche Mengen.» Diese Verluste müssten bei der Aufzucht eingerechnet werden.
Weniger Forellen pro Kubikmeter
Weil die Zucht so aufwändig und anspruchsvoll ist, kaufen viele Fischzüchter die Eier oder die Jungfische in Fischzuchten wie in Uerkheim ein, wo bis zu einer Million Eier pro Jahr gestreift werden. Susanne Flückiger kauft keine Zuchttiere ein und arbeitet nur mit den eigenen Zuchtforellen. «Bachforellen-Laichtiere aus den Bächen zu entnehmen wäre zu risisikoreich, weil so Krankheiten eingeschleppt werden könnten.» Von solchen blieb die Anlage bisher verschont, obwohl sie absolut chemiefrei arbeiteten, betont Flückiger. Sie führt dies in erster Linie auf die natürliche Haltungsform zurück: «In unseren Becken schwimmen viel weniger Forellen pro Kubikmeter als in konventionellen Zuchten.» Die Fische seien so viel weniger gestresst und dadurch weniger anfällig. Zudem brauchten sie weniger Energie, was sich positiv auf den Futterverbrauch auswirke. Sie kommt mit 700 Gramm Futter aus, um ein Kilogramm Fisch zu erhalten. In der klassischen Fischzucht gilt sonst eher die Faustregel von einem Kilogramm Futter für ein Kilogramm Fisch.
Alles wird direkt vermarktet
Die sanft in den Hügel am Waldrand eingebetteten Forellenbecken ziehen jährlich viele Besucherinnen und Besucher an. Nicht nur solche, die Forellen kaufen. «Wir führen regelmässig Gruppen durch die Anlage», sagt Flückiger. Oft blieben diese im Hofbeizli sitzen, um sich bei den selbstgemachten Forellenknusperli zu verköstigen. Die meisten Fische verkauft Flückiger aber an Wochen- und Jahresmärkten in der Region. Pro Jahr produziert sie rund vier Tonnen Forellen. Neben den ganzen Forellen und Forellenfilets umfasst ihr Sortiment auch selbst geräucherte Forellenspezialitäten aus den eigenen Räucheröfen.
Während wir es uns im Forellenstübli gemütlich machen, zeigt die Forellenzüchterin durch das Fenster auf den Fischreiher, der sich gerade an einem der Teiche aufstellt: «Er verteidigt sein Revier gegen andere Artgenossen.» Deshalb könne sie mit dem einen Vogel leben. Obwohl auch er sich an den kleineren Forellen gütlich tut, ist er für die wertvollen Zuchttiere keine Bedrohung. Sie sind schlicht zu gross für seinen Schnabel.
Besuchen Sie die Bioforellenzucht von Susanne Flückiger am Tag der offenen Türe am Pfingstmontag. Mehr Infos auf www.bioforellen.ch
Kommentare