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Sensoren sollen übernehmen

Künftig sorgen die Computer für noch perfektere Wachstumsbedingungen im Gewächshaus. Experten stellten präventive Bekämpfungsmethoden gegen das Jordanvirus vor. Und: Die anaerobe Bodenentseuchung macht müde Böden wieder munter.

Kontrollraum in einem zukünftigen Gewächshaus mit einer datengetriebenen Produktion. 

Die 4. Nationale Gewächshaustagung vom 23. November fand online statt. Irgendwie passte das gar nicht so schlecht, schliesslich sollen reichlich mit Bildschirmen ausgestattete spezielle Kontrollräume künftig zur Grundausstattung in einem vollständig automatisierten Gewächshaus gehören. Das denkt zumindest Bart’t Hoen von der holländischen Firma Hoogendoorn. Er ist überzeugt, dass die Zukunft im Gewächshaus der datengetriebenen Pflanzenproduktion gehört. Natur und Technologie sollen zusammenarbeiten. Sensoren messen nicht nur Temperatur und Feuchtigkeit im Gewächshaus, sondern vor allem auch das Befinden der Pflanze. «Plant Em­powerment» heisst das Stichwort dazu. Grundsätzlich gehe es hier darum, Energie-, Wasser- und Assimilatbilanz ins Gleichgewicht zu bringen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Spaltöffnungen, deren Aktivität beispielsweise mit Wärmebildern erfasst werden kann. «Sind diese geschlossen, wird nichts gebildet», erklärte Bart’t Hoen. Begreife man das nicht, sollte man gar nicht erst in den datengesteuerten Anbau einsteigen. Man müsse trotz allem nämlich weiterhin über ein Basiswissen der Pflanze verfügen. Es dauere mindestens zwei Jahre, bis ein Gärtner mit den Datenströmen aus dem Gewächshaus einigermassen zurechtkomme.   

Wärmebilder wie hier in Tomatenkulturen liefern Daten über den aktuellen Zustand der Pflanzen. (Bild: letsgrow)

In eine ähnliche Richtung geht sein Vorredner Ronald Hoek vom holländischen Start-up Blue Radix. Seine vorgestellte Software «cropcontroler» nützt Künstliche Intelligenz und arbeitet auch mit Sensoren, welche Daten jenseits der menschlichen Wahrnehmung messen, um das Gewächshausmanagement autonomer zu machen. «Schlussendlich geht es darum, höhere Erträge mit geringeren Kosten und Ressourcen zu erzielen», sagte er. 

Strom und Gemüse vom gleichen Ort

Mit der weltweit angestrebten Reduktion des CO2-Ausstosses sinkt langfristig auch die Verfügbarkeit von CO2 zur Kultur-Düngung im Gewächshaus. Pieter de Visser von der Universität Wageningen untersuchte deshalb, wie der Einsatz von CO2 optimiert werden könnte, respektive was eine tiefere Dosierung für Folgen auf die Tomatenerträge hätte. Dabei zeigte sich, dass eine niedrigere CO2-Menge kaum Einfluss auf Fruchtqualität und -gewicht hatte im Vergleich zur standardmässig eingesetzten Menge. 

Die lichtdurchlässigen Solarzellen von Insolight sollen auch auf Gewächshäusern eingesetzt werden (Bild: Insolight).

Strom und Gemüse gleichzeitig produzieren, darum geht es der Firma Insolight aus Lausanne. Sie entwickelt ein Agriphotovoltaik­-System mit speziellen lichtdurchlässigen Solarmodulen, das zurzeit in einer Pilotanlage in Conthey (VS) über Erdbeeren und Himbeeren getestet wird. «Im Vergleich mit der Standard-Abdeckung gab es dort im ersten Versuchs-Jahr kaum einen Unterschied in den Erdbeer-Erträgen», erklärte Gaël Nardin. Das System «Insolagrin» ersetzt bestehende Schutzeinrichtungen aus Plastik und erzeugt dort Solarstrom ohne Flächenverlust. Das seien die Vorteile. Das Ganze liesse sich auch über Venlo-Gewächshäusern installieren. Wie sich das System bei Gemüse bewährt, muss sich aber erst noch zeigen. 

Mit Techponics stellte eine andere Schweizer Firma ein eigenes neues System mit mobilen Rinnen für den Anbau von Gemüse im Gewächshaus vor. Es funktioniert hydroponisch – also ohne Substrat nur mit Nährlösung –, und kombiniert das bekannte Mobile Gully System (MGS) und die Tiefwasser Film Technik (Deep Flow Technique DFT) zu einem eigenen System. «Es bietet die Produktivität von MGS und die Stabilität von DFT», erklärte sein Erfinder Benoit de Combaud. Es soll in einer ersten Phase vor allem für die Salatproduktion im Markt eingeführt werden. Im Business-Case für Schweizer Verhältnisse rechnet er pro Quadratmeter mit jährlich 350 Salaten und einem Gewinn von 40 Franken. Der 100m2-Prototyp stehe ennet der Schweizer Grenze in Frankreich und könne besichtigt werden. Nun sucht de Combaud in der Schweiz Gemüsebetriebe mit Gewächshäusern, die eine Pilotanlage installieren möchten. 

Desinfektion gegen Jordanvirus

In der Schweiz kam es im letzten Jahr zum ersten Befall mit dem Tomato brown rugose fruit virus (ToBRFV) – bei uns besser bekannt als Jordanvirus. Ein Befall mit dem meldepflichtigen Quarantäneorganismus führt zu Totalausfällen bei den Tomaten. In Holland waren in diesem Jahr offiziell über 500 Hektaren Flächen befallen. Dirk Timmers von Royal Brinkmann stellte an der Online-Tagung das Hygienekonzept HortiHygienz vor, das Desinfektionslösungen anbietet, insbesondere gegen das besonders leicht übertragbare Jordanvirus mit seiner langen Virulenz. Er plädierte bei der Desinfektion von Geräten und Gebäuden vor allem für Lösungen mit Schaum, weil diese effektiver wirkten. Dirk Timmers wies aber darauf hin, dass das Virus immer noch am häufigsten über die Hände der Menschen verbreitet werde und dabei besonders oft über das Mobiltelefon. 

Agroscope hingegen führte Versuche für die Desinfektion von Bewässerungsrohren mit dem Wirkstoff Xeral durch, eine ionisierte Lösung auf Basis von hypochloriger Säure. Es soll trotz geringem Risiko für Umwelt und Anwender besonders wirksam gegen Bakterien, Viren und Pilze sein und dazu erst noch wenig kosten. Arrine Youssef führte Versuche im Gewächshaus in Conthey sowie in zwei weiteren Bewässerungssystemen auf Betrieben im Seeland durch. Die Resultate sind ermutigend: Das Produkt konnte mit einer hohen Wirksamkeit überzeugen. 

Einen anderen Ansatz wählt die Züchtungsfirma Enza Zaden, die nach eigenen Angaben die erste Jordanvirus-resistente Tomatensorte entwickelt hat. Das ToBRFV-HR-Resistenz-Gen wurde in einer wilden Tomate gefunden und nun mit traditionellen Züchtungsmethoden in aktuelle Tomatensorten eingekreuzt. Die Versuche seien erfolgreich verlaufen, sagte Peter Schaich von Enza Zaden. Die Resistenz soll nun in bestehende Tomatensorten eingekreuzt werden. 

Müde Böden beleben

Die Firma Thatstech bietet ein spezielles natürliches Bodendesinfektionsverfahren an. (Bild: Thatstech)

Wenn im Boden gar nichts mehr geht, bietet sich das Verfahren der anaeroben Bodenentseuchung (ASD) an. Dabei wird organisches Material in den Boden eingearbeitet und anschliessend mit einer luftdichten Kunststofffolie bedeckt, um eine anaerobe Umgebung zu schaffen und in einem zweiten Schritt flüchtige Fettsäuren freizusetzen. Das führt zum Tod von vielen störenden Organismen und von bestimmten Unkräutern. Der Boden wäre damit entseucht. «Die Nützlinge erholten sich jeweils wieder schnell», erklärte Forscher Leenert Molendijk aus Wageningen. Das Verfahren hat allerdings seinen Preis und liegt bei 6000 bis 10 000 Euro pro Hektare. Mit der Bodenwiederherstellung (Soil-Resetting) beschäftigt sich auch das holländische Unternehmen Thatchtec. CEO Ard Reijetenbagh stellte sein Konzept der natürlichen Bodendesinfektion vor, das mit Micro-Organismen arbeitet und ebenfalls ASD-Prinzipien anwendet. Die Behandlung dauere mindestens fünf Wochen und habe sich bereits in vielen Ländern bewährt, unter anderem auch bei einem Erdbeeranbauer in der Schweiz. Es funktioniere aber auch bei anderen Kulturen wie Tomaten, Gurken oder Salaten, sagte Ard Reijetenbagh. Das Verfahren ist auf der FiBL-Hilfsstoff-Liste aufgeführt. Die Kosten betragen durchschnittlich 1.5 Euro pro Quadratmeter. 

Das Webinar wurde von der Liebegg, dem Strickhof, der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau (szg) sowie dem Kanton Freiburg organisiert. Über 80 Teilnehmende verfolgten die interessanten Beiträge aus der Welt der Gewächshäuser. In der Umfrage gab übrigens die Mehrheit an, dass sie die Online-Form bevorzugen. 

 www.hoogendoorn.nl

www.blue-radix.com

www.insolight.ch

www.techponics.net

www.thatchtec.nl

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