Der Schweizer Detailhandel ist stark umkämpft. Differenzierung ist angesagt, um sich von den anderen abzuheben. Das Bio-Mäntelchen eignet sich gut dafür, kaum jemand zieht es sich nicht über. Zurzeit fällt die mediale Bio-Offensive der beiden Grossverteiler Migros und Coop auf. Rappende junge Burschen und eine singende Blondine auf einem idyllischen Biohof sind es bei Coop. Zu viert fahren sie in karierten Hemden auf einem polierten Hürlimann Traktor-Oldtimer durch die Hofeinfahrt, führen den Mist auf einer hölzernen Schubkarre und melken natürlich von Hand. Das Plumpsklo fehlt auch nicht. Kaum ein Klischee, das im TV-Spot nicht bedient wird. Natürlich ist das die Absicht der Werber. Etwas origineller zeigt sich Migros: Dort spielt ein Gemüseorchester vor dem idyllischen Hof auf und spielt die Ouvertüre aus Gioachino Rossinis «Die diebische Elster». Doch auch hier ist urbanes Wunschdenken erfüllt: Der Bauer melkt seine Kuh von Hand und das erst noch auf freiem Feld.
Weshalb muss eigentlich in der Werbung alles immer so weit weg von der Realität sein? Es ist mir schon klar, dass sich Augenringe von überarbeiteten Bauern oder polnische Erntearbeiter in gebückter Haltung in einem Kohlrabifeld nicht besonders gut für Werbezwecke eignen. Doch ich frage mich, ob es nicht besser wäre, den Konsumenten etwas reineren (Bio-)Wein einzuschenken. Einmal abgesehen davon, dass dieser vermutlich auch nicht ohne Kupferspritze auskommt. Würden die Bauern so arbeiten, wie in den TV-Spots suggeriert wird, könnten sie ihre Produkte sicher nicht an Migros und Coop liefern. Sie wären nämlich viel zu teuer und die strengen Qualitätsanforderungen würden sie kaum erfüllen können.
Politisch und wirtschaftlich verlangt man von den Biobauern – wie von allen anderen Schweizer Bauern auch –, dass sie mit der Zeit gehen. Ganz im Gegensatz zu den Werbern, die Bio lieber als trendiges Lifestyle-Produkt aus dem letzten Jahrhundert positionieren. Aber Achtung: Trends ändern sich.
Dieser Text ist als Kolumne in der Lebensmittelfachzeitschrift Alimenta erschienen
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