Die Nachfrage nach Sauerkraut ist dank Corona deutlich gestiegen. Das Weisskabis-Angebot ist wetterbedingt aber kleiner als sonst. Obwohl der Anbau von Weisskohl anspruchsvoller werden dürfte, ist nicht mit höheren Abnahmepreisen zu rechnen.
David Eppenberger
Es ist schon etwas ungerecht. Da boomt ein Produkt unverhofft, das zuvor jahrelang als unmodern und verstaubt gebrandmarkt wurde, und dann fehlt plötzlich der Ausgangs-Rohstoff. Es tut einem Sauerkrauthersteller wie David Dreyer von der Dreyer AG in Gerolfingen im Herzen weh, wenn er den Suisse Garantie Kleber auf der Verpackung überkleben muss. «Doch es geht in diesem Jahr nicht anders», sagt er. Denn die diesjährigen Wetterkapriolen sorgten auch bei seinen Kohlproduzenten für Ernteeinbussen, weshalb er für die Sauerkrautfabrik zusätzlich Kohlköpfe aus Polen importieren musste. Natürlich wollen die Sauerkrauthersteller das während der Corona-Zeit geweckte Interesse trotz fehlender Inlandware aufrechterhalten. Er hätte das Sauerkraut auch direkt fertig in Deutschland einkaufen können. «Das wäre deutlich günstiger gewesen und es wären nicht einmal Importkontingente nötig gewesen.» Doch es sei halt ein bisschen wie beim Wein, das Sauerkraut lebe letztlich von der Rezeptur. Deshalb hat er 500 Tonnen Importkohl für die eigene Herstellung beantragt, wovon 330 Tonnen gewährt wurden «Wir werden sehen, ob die Kundschaft die polnische Variante goutiert.» Denn das Marketing ist beim Sauerkraut besonders auf die Schweizer Herkunft ausgerichtet. Das Ganze sei durchaus eine heikle Gratwanderung, sagt Dreyer. Normalerweise reichen die inländischen Mengen aus. Eine Mangellage erlebte Dreyer letztmals vor zehn Jahren, als er vorübergehend auf holländischen Kabis ausweichen musste.
Kritik am Plastikbeutel ist verstummt
Die Krise wirkte besser als jede Marketingkampagne. In den ersten Corona-Monaten gingen die Sauerkraut-Abverkäufe durch die Decke und das sogar ausserhalb der eigentlichen Saison. «Die Leute erinnerten sich in der speziellen Situation im Frühling 2020 wieder an klassische Produkte, die sich lange lagern lassen», erklärt Dreyer. So habe auch Rotkraut ein Revival erlebt. Auch hier fehlt es in diesem Jahr aber an einheimischer Ware. Fündig wurde er hier in Deutschland. «Nur dort fand ich die Qualität, die es brauchte, um die typische intensive rote Farbe im Kraut zu erhalten.» Der Hype nach Sauerkraut & Co. hält weiterhin an. Kein Thema mehr sind im Moment neue Verpackungsformen, nachdem die Plastikbeutel vor ein paar Jahren zunehmend in Kritik geraten waren. Mit der gestiegenen Sensibilität für die Hygiene seien diese Stimmen vorläufig verstummt, sagt Dreyer.
Wenig Spielraum bei Preisen
Mancher Weisskabisproduzent, der eine der drei grossen Schweizer Sauerkrautfabriken beliefert, fragt sich natürlich, weshalb er in einem boomenden Markt nicht höhere Preise erhält. Im letzten Jahr konnte sich die Branche mit den Produzenten nicht einmal mehr auf einen Preis einigen. Der zuvor geltende nationale Abnahmevertrag verlor seine Gültigkeit. Auch die dabei erhobenen Beiträge für nationale Marketingmassnahmen entfallen künftig. Dreyer schloss mit seinen Lieferanten wieder eigene Verträge ab. «Ich habe ein offenes Verhältnis zu ihnen», sagt er. Grosse Preis-Bewegungen nach oben würden trotz allem nicht drinnen liegen, weil der Preisdruck in der Verarbeitungsindustrie sehr hoch sei. Dazu kämen die steigenden Kosten für Verpackungen und Energie.
Die Zukunft sei in der Produktion auch sonst sehr herausfordernd: «Mit dem Wegfall von diversen Wirkstoffen wird es schwieriger werden, die Weisskohl-Erntemengen in der nötigen Qualität hinzubringen.» Dass sich die zu erwartenden Mehraufwände im Endpreis abbilden lassen, bezweifelt Dreyer. Er glaubt beispielsweise, dass die aktuell hohe Nachfrage nach Sauerkraut auch mit den hohen Preisen beim Frischgemüse im Zusammenhang steht. Und das ist keine optimale Situation für Preiserhöhungen am Verkaufspunkt. Eine Chance sieht er in der Label-Produktion. Seit diesem Jahr produziert er deshalb auch Sauerkraut mit dem Käfer von IP Suisse.
Kommentare