Im Projekt «Traditionswurzeln» sucht Robert Zollinger nach verschollenen und vergessenen Wurzelgemüsen. Er sieht für sie eine Chance im Nischenanbau für die Spitzengastronomie, die überraschende Geschmacksnoten suche.
David Eppenberger
Die Wurzeln sind dünn wie ein Bleistift, dick wie eine Sellerieknolle, mehrbeinig mit feinen Würzelchen oder stossen bis ein Meter tief in den Boden vor. Das ist nicht unbedingt, was man sich in der Küche wünscht. Auch der Anbau ist schwierig. Kein Wunder sind Butzenklette (Arctium lappa), Knollen-Plattererbse (Lathyrus tuberosus), Rapunzel-Glockenblume (Campanula rapunculus), Spanische Golddistel (Scolymus hispanicus), gewöhnliche Eseldistel (Onopordum acanthium) oder die Haferwurzel (Tragopon porrifolium) von den grossen Gemüseäckern verschwunden. Dabei wurden sie und ihre Wurzeln in der älteren Gartenliteratur noch gelobt und im Mittelalter beispielsweise von Mönchen kultiviert. Heute kennt sie kaum noch jemand. Das will Robert Zollinger von Hortiplus ändern. Der Experte für traditionelles Saatgut gründete einst die heute von seinen Söhnen geführte Saatgutfirma Zollinger Bio in les Evouettes VS und führt nun mit seiner Firma Hortiplus eigene Saatgutprojekte durch. Aktuell das mit den «Traditionswurzeln», welches im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) finanziell vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) unterstützt wird. Dabei war das Ziel dieser Sichtung nicht nur die Erhaltung der Wurzelgemüse, sondern dass sie auch für eine Nutzung wieder verfügbar sind.
Als Spezialität in der Gastronomie
Zollinger pflanzte auf einer von der Stadt Zürich in Altstetten zur Verfügung gestellten Anbaufläche 65 verschiedene Sorten der zuvor genannten Arten aus. Das Saatgut stammt von der Agroscope-Genbank sowie von Privaten, die einem Aufruf folgten und eigene Samen einschickten. Die Beschaffung des Saatgutes war aufwändig, weil es selbst in der Genbank nur vereinzelt vorhanden war. Für Zollinger ist klar, dass die untersuchten Gemüse auch künftig nicht in die grosse Produktion kommen werden. Es sei nachvollziehbar, dass sie im Profi-Bereich nicht mehr angebaut würden. Ein Grund dafür sei zum einen das Saatgut, das teilweise wirklich winzig oder unförmig sei, und sich nicht für eine Einzelkornsämaschine eigne. Das gehe eigentlich nur von Hand auf kleinen Flächen. Zum anderen würden je nach Art so üppig Wurzeln gebildet, dass sie fast einzeln ausgegraben werden müssten. Oder die gewöhnlichen Eselsdistel beispielsweise mache zwar recht gute Wurzeln, doch für die dornigen Blätter braucht es bei der Ernte dicke Handschuhe. «Trotzdem sehe ich Potential für diese Gemüse im kleinen, spezialisierten Anbau beispielsweise für die Spitzengastronomie». Dort seien neue Geschmäcker und Zubereitungsmöglichkeiten durchaus gesucht.
Taugliches Saatgut für den Handel
Bei der Sortensichtung Ende Oktober zeigte sich eine grosse Vielfalt nur schon innerhalb der einzelnen Arten. Manche Sorten schossen bereits im ersten Anbaujahr auf, was bei den üblicherweise zweijährigen Wurzelgemüsen aber unerwünscht ist. Die Sorten werden vom Experten aufgrund ihrer Eigenschaften beurteilt und selektiert. «Bei vielen Sorten sieht man gut, dass sie während Jahrzehnten nicht gepflegt worden sind.» Im Projekt gehe es nun darum, brauchbares Saatgut herauszufiltern, züchterisch aufzuwerten und zu vermehren. Dieses geht dann zum einen zurück in die Genbank. Zum anderen hofft Zollinger, dass es mittelfristig über die Saatgutfirmen wieder in Umlauf kommt.
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