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Pflugloser Gemüseanbau befindet sich noch in der Pionierphase

Landverluste durch Erosion könnten bald zum ernsthaften Problem werden. Die pfluglose Bewirtschaftung würde sich deshalb als Zukunftstechnologie auch bei Gemüse anbieten. Doch angewendet wird sie in der Branche noch kaum. Der No-Till-Gemüseproduzent Reto Minder ist eine Ausnahme.

Pioniere und Erfinder durchleben oft schwere Zeiten und enden nicht selten sogar im finanziellen Ruin. Widerstände, Misstrauen und Unverständnis sind ihre treuen Begleiter. Rosenkohlproduzent Reto Minder aus Jeuss FR ist sogar ein Pionier unter Pionieren. Doch um es vorweg zu nehmen: Es geht ihm gut. Er ist kein Aussenseiter im Dorf, hat die Kosten im Griff und die Erträge seiner Kulturen sind absolut in Ordnung. Und das, obwohl er seit zwölf Jahren auf seinen Äckern im immer noch ungewohnten No-Till-Verfahren arbeitet, das heisst ohne Pflug. In der Schweiz werden nur rund fünf Prozent der Ackerflächen in diesem Direktsaatverfahren bewirtschaftet. Innerhalb der «No-Till-Szene» ist Reto Minder gar der einzige aktive Gemüseproduzent. Weshalb eigentlich? Die Erklärung von Minder ist einfach: «Neues hat es immer schwer, so lange die bewährten Konzepte einigermassen funktionieren!» Bis einer das Arbeiten ohne Pflug im Griff habe, brauche es Zeit. Etwa fünf Jahre dauert es, bis das No-Till-System seine Vorteile offen legt. «Am Anfang kann es deshalb zu Ertragseinbussen kommen», sagt Minder. Das passt alles irgendwie nicht zur schnelllebigen und preisdiktierten Gemüseproduktion.

Langfristig bessere Bodenstruktur

Kehren wir also den Spiess um: Wo liegen denn die Vorteile der pfluglosen Bewirtschaftung? «Die hohen Kosten für Diesel, Arbeitszeit und Abnützung des Pfluges fallen weg», nennt Minder Argumente. Durch die schonende Bearbeitung bleibe die Bodenstruktur intakt, was sich langfristig positiv auf den Humusgehalt auswirke. Das wiederum verbessere die Wasseraufnahmefähigkeit. Die No-Till-Landwirte achten darauf, dass der Acker möglichst immer mit Kulturen oder einer Mulchschicht abgedeckt ist. Das schützt vor Erosionsverlusten. Weil er der Feldhygiene grosse Beachtung schenke, seien Krankheitsübertragungen auf die Folgekulturen kein Problem, sagt Minder «Die Zerkleinerung der Ernterückstände fördert die rasche Verrottung.» Probleme könnte es allenfalls in Fruchtfolgen geben, die beispielsweise einen hohen Anteil an Kreuzblütlern hätten. Minder beobachtet sogar, dass der Unkrautbefall mit der Zeit tendenziell zurückgeht. Und entgegen der landläufigen Meinung leidet er als «pflugloser» Landwirt auch nicht an einer Schneckenplage: «Ich brauche sicher nicht mehr Schneckenkörner als meine Kollegen!»

Strip-Till-Verfahren

Von der Theorie in die Praxis: An diesem Tag im April ist in Jeuss Pflanztag für Rosenkohl. Der ausgetrocknete Mulch knistert unter der Cambridge-Walze, die vor dem Traktor angebracht ist. Die angehängte Pflanzmaschine hat Reto Minder in Eigenarbeit No-Till-tauglich gemacht. Die Doppelscheibenschar zerschneidet zuerst Ernterückstände, eine gewellte Scheibe öffnet einen Schlitz und vergräbt die Düngerkörner direkt in den Boden in sicherer Entfernung zum Setzling. Dieser wird in den schmalen Streifen gesetzt, den ein Zinken freilegt. Die Sitze sind direkt auf dem Aggregat montiert, damit die Gewichte der Mitarbeitenden optimal ausgenutzt werden. Aus dem gleichen Grund sind auch die Düngerkästen auf der Pflanzmaschine angebracht. «Mit schwachem und leichtem Zeugs ist nichts zu machen bei No-Till», sagt Minder. Ein paar Wochen zuvor mietete er einen mit GPS- und RTK-Technologie (Real Time Kinematik) ausgerüsteten Traktor, um gerade Furchen auf dem Acker zu erstellen und die Pflanzung vorzubereiten. «Genaues Arbeiten ist extrem wichtig», sagt Minder. Vor dem Auspflanzen der Setzlinge nimmt Minder noch eine Glyphosat-Spritzung gegen das Unkraut vor. Bodenherbizide eigneten sich wegen der dicken Mulchschicht bei diesem Anbausystem allerdings weniger gut, so Minder. Man müsse deshalb mehr mit Kontaktherbiziden arbeiten.

Auf sich alleine angewiesen

Reto Minder pflanzt insgesamt 6,3 Hektaren Rosenkohl an. Vor sieben Jahren – nachdem er seinen Pflug endgültig verkauft hatte –, machte er erste Versuche mit dem Setzen von Rosenkohl im Streifenfräsverfahren und stellte drei Jahre später die gesamte Fläche um. Die übrigen Kulturen auf seinem Betrieb bewirtschaftet er bereits seit zwölf Jahren im Direktsaatsystem.
In diesem Jahr arbeitet Minder erstmals mit dem verfeinerten Strip-Till-Verfahren, das mit noch schmaleren Streifen (Strip heisst Streifen) auskommt als bei der «üblichen» Streifenfrässaat. Weil er niemanden kennt, der Rosenkohl nach der Direktsaat-Philosophie anbaut, muss er sich das gesamte Wissen selbst erarbeiten. Selbst im Internet findet er kaum Informationen. Um die Kosten tief zu halten, arbeitet er mit Produkten ab Stange – oft aus den USA – und passt diese in der Werkstatt seinen Bedürfnissen an. Es ist das Los des Pioniers.

Fruchtfolge entscheidend

Reto Minder hält zwanzig Mastrinder und baut auf einer Fläche von fast 37 Hektaren neben Rosenkohl vor allem Getreide, Mais, Zuckerrüben und Tabak an. Die permanente Bedeckung der «offenen» Ackerfläche ist ein Kernelement in der No-Till-Philosophie. Deshalb sät er nach der Ernte von Sommerkulturen wie Eiweisserbsen und Getreide eine Gründüngung aus, ein Gemisch aus Phacelia, Alexandrinerklee, Sommerwicke und Sommerhafer. Diese Mischung habe sich bewährt: «Die Vielfalt ermöglicht mehr Aufgangsicherheit.» Im März wird die Gründüngung gemulcht. «Die Fruchtfolge ist bei der pfluglosen Bewirtschaftung entscheidend», sagt Minder. Leider erachteten viele Gemüseproduzenten diesbezüglich die ÖLN-Vorgaben als Optimum. Doch eigentlich stellten diese nur ein absolutes Minimum dar, so Minder. Er kommt auf seinem Betrieb ohne Kunstwiese aus und erfüllt trotzdem höchste Ansprüche aus Sicht des Bodenschutzes. Vom Kanton Fribourg erhält er Förderbeiträge für den bodenschonenden pfluglosen Anbau. Doch nur wegen diesen Beiträgen verzichtet kaum ein Bauer auf seinen Pflug. Da müssen Überzeugungstäter her. Doch in der Gemüsebranche halten sich diese bedeckt. In der Forschung laufe zwar ein bisschen etwas, so Minder. Er ist aber überzeugt: «Der Wille muss aus der Praxis kommen!»

Zukunftstechnologie für Hanglagen?

Grundsätzlich eigne sich No-Till für alle Gemüse-Kulturen, ist Minder überzeugt. Karotten könnten beispielsweise in Schlitzsaaten ausgesät werden. Versucht hat es allerdings noch niemand. Einfach so wird man also nicht zum pfluglosen Gemüseproduzenten. Investitionen für neue Maschinen sind nötig. Die Fruchtfolge muss angepasst werden. Zudem muss er mit Aufwand für eigene Versuche rechnen. Auf Parzellen notabene, die dann für die Produktion erst noch fehlen. Das sind hohe Hürden.
Die No-Till-Technologie könnte allerdings an Bedeutung gewinnen, wenn das Thema Bodenerosion auf politischer Ebene zum ernsthaften Thema wird. Für Reto Minder ist es das bereits: «Im Seeland gibt es Flächen, wo die Humusschicht bedrohlich abnimmt.» Sollten offene Ackerflächen in besonders anfälligen Hanglagen dereinst nur noch mit Auflagen bewirtschaftet werden dürfen, dann wird sich wohl der eine oder andere Gemüseproduzent bei Reto Minder in Jeuss schlau machen.

Veröffentlicht in Blog

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