Wirklich in der Praxis angekommen sind autonome Agrarroboter immer noch nicht. Für Schweizer Verhältnisse sind die Geräte in der Regel noch zu teuer. Doch der zunehmende Arbeitskräftemangel könnte auch hier zu einem Umdenken führen.
John Chinn von den Cobrey Farm in Herefordshire produziert rund 40 Prozent der britischen Spargeln und benötigt dafür über 1300 saisonale Erntehelfer. Mit Covid 19 und vor allem den Folgen des Brexits ist die Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften für die Gemüseernte für ihn aber zur Herkulesaufgabe geworden. Chinn handelte schnell, weil er wusste, dass sich dieses Problem nur mit Technologie lösen liess. Er öffnete seine Spargelfelder den findigen Konstrukteuren des StartUps Moody Machines. Und diese enttäuschten ihn nicht. In nur einem Jahr entwickelten sie einen kleinen, autonomen Grünspargelernteroboter, der die Erwartungen des Spargelanbauers offenbar bereits vollauf erfüllte. «Es ist schlicht unglaublich, wie sie es in nur einem Jahr schafften, ein Gerät zu konstruieren, dass selbständig durchs Spargelfeld fährt, den Spargel schneidet und in die Kiste legt», sagte Chinn anlässlich der Agrarroboter-Messe Fira im Dezember. Er sei überzeugt, dass nach einem weiteren Jahr Entwicklungsarbeit ein marktfähiger Roboter für die Spargelernte zur Verfügung stehen werde, der bei ihm hunderte von Arbeitskräften ersetzen könne. Euphorisch kündigte er dann gleich eine Bestellung von 50 Geräten an. «Nur so werde ich den Spargelanbau auf unseren Feldern weiterführen können». Die Firma Moody Machines sucht allerdings nun zuerst einmal weitere Investoren, um den Roboter zur Endreife zu bringen. Solche zu finden, ist offenbar zurzeit nicht mehr so einfach, wie noch vor ein paar Jahren, als die Agrarrobotik der Liebling vieler Venture-Capital-Unternehmen war.
In der Agrarrobotik scheint sich der Fokus global zurzeit eher vom Pflanzenschutz in Richtung Ernteautomatisierung zu verschieben. Denn die Personalknappheit ist ein globales Thema. So entwickelte beispielsweise die dänische Firma Agrointelli zusammen mit der britischen Firma RoboVeg einen autonomen Brokkoli-Ernter, der an der wegen Corona verschobenen Agritechnica mit einem Innovationspreis ausgezeichnet wurde. Er soll nach Firmenangaben bis zu 2400 Stück Brokkoli pro Stunde und das während 24 Stunden ernten können. Er kann ab diesem Jahr bestellt werden und kostet rund 200 000 Franken.
Autonome Hackroboter haben es schwer
Weiterhin einen eher schweren Stand haben die futuristisch designten, autonomen Roboter für Bodenbearbeitungs- und Pflanzenschutzmassnahmen. An der vor Ort in Toulouse und online durchgeführten Fira wurden einmal mehr haufenweise Firmenvideos präsentiert, in den Roboterarme unter perfekten Bedingungen nach dem Unkraut griffen oder Kameras dieses einwandfrei identifizieren und ihre Hackgeräte darum herumführen, ohne ein Pflänzchen zu verletzen. In der Praxis bleiben sie dann aber im nassen Boden hängen, rutschen am Hang ab oder die Kameras erkennen das Unkraut wegen einem nicht vorgesehenen Lichteinfall nicht. Vorträge aus den USA und Australien zeigten aber immerhin, dass sie zumindest auf grossen Farmen mittlerweile auch kommerziell eingesetzt werden. Doch klar ist immer noch: Wer sich darauf einlässt, muss ein Überzeugungstäter sein. Denn die Kinderkrankheiten sind immer noch beträchtlich. Zudem sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für autonomes Ackern nachwievor unklar, und sehen in den meisten Fällen die persönliche Präsenz vor Ort vor. Auch deshalb fragen sich viele Farmer, weshalb sie sich für 200 000 Euro einen autonomen Roboter anschaffen sollen, wenn das günstiger mit bestehendem Gerät geht.
Traktoren fahren auch autonom
Das von der Harper Adams University in UK durchgeführte Projekt «Handsfree Farm» zeigte, dass selbst mit «normalen» Maschinen autonomes Arbeiten gut möglich ist. Jeder Traktor kann bereits heute fahren, ohne dass jemand auf dem Fahrersessel sitzt. Im Projekt wurden 35 Hektaren Anbauflächen mit Getreide inklusive Zwischenkulturen ohne menschliche Präsenz vor Ort bewirtschaftet. Dabei kamen mehrere handelsübliche, selbstfahrende kleine 38 PS-Traktoren zum Einsatz, welche mit vorhandenen Geräten die Aussaat, Bodenbearbeitung sowie den Pflanzenschutz durchführten. Für die Ernte wurde ein selbstfahrender Mähdrescher aufs Feld geschickt. Das in der Agrarrobotik-Szene oft propagierte Schwarmprinzip wurde im Projekt mit bereits bestehender Technologie erfolgreich umgesetzt. In einem Computermodell verglichen die Forscher das Schwarmprinzip der leichten autonomen Traktore mit der konventionellen Produktion mit einem 300-PS-Traktor inklusive Traktorführer und ermittelten dabei eine signifikante Kosteneinsparung pro geernteter Tonne Weizen bei den selbstfahrenden Geräten.
Immer noch zu teuer für die Schweiz
Auf hiesigen Äckern sind autonome Agrarroboter immer noch Exoten. Lieber kombiniert man Robotik mit vertrautem Equipment, wie beispielsweise am Traktor angehängten vollautomatischen Hackgeräten. Vom zuvor erwähnten Robotti von Agrointelli ist ein Gerät vor allem für Forschungszwecke an der Swiss Future Farm in Tänikon unterwegs. Dabei handelt es sich eigentlich nur um einen autonom fahrenden mit Diesel betriebenen Geräteträger, an dem herkömmliche Maschinen angehängt werden können. Gerade in eher kleinstrukturierten Landwirtschaften wie in der Schweiz ist unter dem Strich kein Vorteil zu herkömmlichen Traktoren zu erkennen, vor allem auch wirtschaftlich nicht. Obwohl der Robotti zum Verkauf zur Verfügung steht, sei das Interesse bisher noch überschaubar, sagt Roman Gambirasio von GVS Agrar AG, Vertriebspartner von Agrointelli in der Schweiz.
Farmdroid in der Praxis angekommen
Der auf GPS-Technologie basierende Sä- und Hackroboter von Farmdroid zählt in Europa zu den wenigen autonomen Geräten, die in der Praxis im Einsatz stehen. An einem Webinar des deutschen Farmdroid-Distributors Organic Agrar Miller Gmbh berichteten mehrere Anwender über ihre Praxiserfahrungen unter anderem in Kulturen wie Randen, Zwiebeln oder Grünkohl. Alle zogen ein positives Fazit, und lobten vor allem die eingesparten, teuren Handhackstunden, was eine schnelle Amortisation des rund 70 000 Franken teuren Gerätes ermöglicht. In der Schweiz sind zwei Farmdroide unterwegs, vor allem zu Forschungszwecken in Zuckerrüben. David Vetterli vom Foschungsinstitut für biolgoischen Landbau (FiBL) führte aber auch Versuche in Zwiebeln durch (siehe Gemüsebau-Ausgabe 2/2020). Die Technik habe eigentlich ganz gut funktioniert sagt er. Doch leider habe der Mehltau einen grossen Teil der Ernte zerstört, weshalb es schwierig sei, Aussagen zum Ertrag zu machen. Er ist aber überzeugt, dass sich die Handarbeitsstunden deutlich reduzieren lassen, was sich auch in den Versuchen in Zuckerrüben gezeigt habe. Doch vermutlich sei der eigentlich zwar relativ günstige Preis für Schweizer Verhältnisse wohl immer noch zu hoch, damit sich das Ganze auf den kleinen Parzellen in der Schweiz lohne. Eventuell sei hier die gemeinsame Nutzung eines Gerätes eine Lösung.
Der Oz auch für kleinere Betriebe Ideal für Schweizer Verhältnisse wäre eigentlich der kleine Oz der französischen Firma Naïo, vor allem für selbständige Hackarbeiten zwischen den Reihen. Immerhin 150 der Geräte stehen weltweit im Einsatz. Vor über drei Jahren berichtete diese Zeitschrift bereits über deren erfolgreichen Einsatz auf kleinen Betrieben in Frankreich. In der Schweiz vertreibt die Firma Aebi Suisse die Geräte von Naïo, von denen es inzwischen mehrere Typen gibt. Seit Jahren ist Gerhard Aebi auf Messen und auf den Betrieben mit den Geräten vor Ort mit Demonstrationen unterwegs, um seiner Kundschaft die Vorteile der Roboter aufzuzeigen. Jetzt sehe es tatsächlich nach einem ersten Verkauf eines Oz aus, sagt er auf Anfrage. Seit das bewusst einfach gehaltene Gerät mit RTK-GPS aufgerüstet worden ist, ist sein Einsatz definitiv auch für Schweizer Betriebe interessanter geworden. Und mit einem Preis von rund 30 000 Franken ist der Oz zudem erschwinglich. Und natürlich profitiert man von den mittlerweile mehrjährigen Erfahrungen der anderen bereits im Einsatz stehenden Geräte.
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