Die Gemüsegärtnerin Barbara Schmid ist Schweizer Pionierin für den Anbau von Microgreens in Bioqualität. Im Unterschied zu Sprossen, werden diese nach dem Keimen unter Licht und auf Substrat kultiviert.
Barbara Schmid ist eine Spätberufene. Als 33-Jährige startete die promovierte Sozialwissenschaftlerin die zweijährige Lehre zur Gemüsegärtnerin. Schon während der Lehre entflammte ihre Leidenschaft für Microgreens. Das sind Keimlinge von verschiedenen Gemüsearten, Kräutern und Blumen, die im Keimblattstadium oder nach den ersten zwei Laubblättern geschnitten werden. In den USA werden Microgreens schon seit über 30 Jahren produziert. Dort und in Kanada suchte und fand Barbara Schmid über das Internet dann auch Rat. Denn in der Schweiz gibt es praktisch keine Gärtner, welche die kleinen, vitaminreichen und geschmackvollen Pflänzchen kommer-ziell anbauen. Nur Gemüsegärtner Andreas Eschbach in Füllinsdorf baut Microleaves – wie sie auch genannt werden – gemeinsam mit einem israelischen Partner in grösserem Stil an. Doch mit Ratschlägen an die potentielle Konkurrenz ist man dort sehr zurückhaltend. Antworten hätte Barbara Schmid dort aber sowieso nicht erhalten, weil für sie immer klar war, dass sie nach den Kriterien des biologischen Landbaus arbeiten wollte.
Microgreens benötigen Licht
Mit dem Kauf einer ehemaligen Zierpflanzen-Gärtnerei im Weiler Süri bei Neuenegg BE startete die Quereinsteigerin vor drei Jahren in ihr Leben als selbständige Gemüsegärtnerin. Die Nachbarn staunten nicht schlecht über das Plakat «essblatt – biologische microgreens», das dort plötzlich am Scheunentor hing. Nach zweijähriger Umstellung kam Anfang 2018 das Schild von Bio Suisse dazu. Barbara Schmid ist es zu verdanken, dass der Anbau von Microgreens nun offiziell in den Richtlinien von Bio Suisse geregelt ist. «Ich musste den Verantwortlichen zuerst erklären, um was es überhaupt geht», sagt sie. Wo liegt beispielsweise der Unterschied zum Sprossenanbau? «Im Gegensatz zu den Sprossen wachsen Microgreens in Substrat, benötigen Licht und werden geschnitten», erklärt sie. Dabei ist insbesondere das Licht ein entscheidender Faktor. Erstaunt war sie, dass ihre beiden Berufs-Kollegen in den USA und in Kanada gemäss deren Biorichtlinien offiziell künstliches Licht verwenden dürfen. Für sie war aber immer klar, dass ihre Microgreens nur mit natürlichem Sonnenlicht wachsen sollten.
Sie peppte die bereits in die Jahre gekommenen Gewächshäuser mit einer Isolationsschicht auf und installierte eine Steuerung für die Belüftung, die sie auch über das Handy steuern kann respektive ihr per SMS Bescheid gibt, falls etwas nicht richtig funktioniert. Obwohl sie gemäss Biorichtlinien die Gewächshäuser sogar beheizen dürfte, nutzt sie diese Möglichkeit nur selten. «Meine Erdgewächshäuser können die natürliche Wärme gut speichern», erklärt sie. Selbst im Dezember konnte sie ungeheizt noch genug Microgreens produzieren, um ihre Abnehmer zu beliefern. Nur im Januar fehlte es definitiv an Temperatur und Licht. Doch schon im Februar ging es wieder los mit der Produktion. Sie beliefert vor allem Gastronomen in der Region und verkauft ihre Produkte am Wochenmarkt an der Münstergasse in Bern.
Individuell zusammengestellt
Gastronomen bestellen die gewünschten Microgreens nach ihren eigenen Bedürfnissen. Barbara Schmid sät die Samen direkt in der Ifco-Kiste auf eine kompostierbare Naturfasermatte aus. «Im Restaurant schneiden sie dann nur so viel ab, wie sie für die Menüs gerade benötigen.» So reicht eine Kiste bis zu einer Woche, denn die feinen Blätter werden vor allem als Garnitur verwendet oder in kleinen Mengen in die Salate gemischt. Das Saatgut ist speziell und bezieht sie aus Italien, weil es in der Schweiz nicht angeboten wird. Im Angebot stehen bei ihr zurzeit: Brokkoli, Rettich, Senf, Radies Sango, Red Mizuna, Rucola, Erbsen und Sonnenblumen. Doch sie erfüllt auch Spezialwünsche. Für einen Restaurateur säte sie auch schon Hanf aus. Sie schmunzelt: «Die Blättchen waren zwar sehr dekorativ, doch geschmacklich waren sie weniger der Hit.»
Small is beautiful
Die Anbaufläche in Süri beträgt 1,6 Hektaren, davon sind etwa 380 m2 unter Glas oder Folie. Die Betriebsstruktur passt also irgendwie zu den kleinen Pflänzchen. Die Arbeitstage sind trotzdem lang: «Ich habe nur kleine Maschinen und mache viel von Hand.» Zwischendurch helfen ihr bei der Ernte Leute, die ihr von einer sozialen Institution vermittelt werden. Bei Arbeitsspitzen und am Marktstand kann sie auf weitere Hilfe von Bekannten und Freunden zählen. Neben den Microgreens bietet sie als weiteres Produkt ihre «Essblätter» an, die etwas kleiner sind als die bekannteren Babyleaf-Salate. Zu den hier angebotenen Sorten gehören Amaranth, Borretsch, gelber Schnittmangold, rotadriger Mangold, Red Mizuna, Salatrauke, Red Mustard, Pak Choi, Tatsoi und die sehr dekorative Blutampfer. Barbara Schmid bietet sie offen an, die Kundschaft stellt daraus ihre eigene Salatmischung zusammen. Im Freiland und im Folientunnel baut sie zudem weitere Saisongemüse wie Salate, Radieschen oder Tomaten an, die sie ebenfalls auf dem Wochenmarkt verkauft. Quasi das i-Tüpfelchen der Spezialitäten-Werkstätte in Süri ist die Weizengrasschorle, zusammengestellt nach eigenem Rezept. Der Saft aus jungen Weizengräsern gilt als extrem gesund.
Barbara Schmid ist zufrieden, wie sich ihr Geschäft bisher entwickelt hat. Die Kundschaft sei treu und die Nachfrage steige laufend an, sagt sie. Obwohl sie mittlerweile auch etwas grössere Händler beliefert, will sie ihren Prinzipien treu bleiben und sich vor allem auf die Direktvermarktung konzentrieren. Denn diese funktioniert gut: Wer ihre Microgreens und Essblätter kaufen wolle, müsse am Samstag früh auf den Markt kommen, sagt sie. «In der Regel bringe ich nur leere Kisten mit nach Hause.»
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