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Landwirtschaft im 21. Jahrhundert

Regenerativ, konventionell, konservierend, industriell, integriert, biologisch oder Permakultur? Landwirtschaftliche Konzepte gibt es viele. Doch welches ist das Richtige für das 21. Jahrhundert? Eine schwierige Frage zweifellos. 

In meiner Arbeit als Agrarjournalist bin ich viel auf Bauernhöfen unterwegs. Ich staune immer wieder über die Vielfalt. Über den kleinen Direktvermarktungsbetrieb mit 40 verschiedenen Gemüsesorten auf vier Hektaren, den graslandbasierten Milchbetrieb im Berggebiet, den viehlosen Ackerbaubetrieb  oder dem Hydrosalat-Gewächshausbetrieb, um nur ein paar Typen zu nennen. Alle über einen Kamm zu scheren ist unmöglich. Trotzdem wird es immer wieder gemacht. 

Berglandwirtschaft ist anders als im flachen Mittelland.

Anbau-Systeme als Auslaufmodell

Es ist der Komplexität der Landwirtschaft unwürdig, wenn
selbsternannte Agrarexperten mit stark vereinfachten Konzepten die Gunst der Öffentlichkeit suchen. Besonders aktuell ist der Pflanzenschutz, der offenbar grundsätzlich des Teufels ist. Der Biolandbau wird hier voreilig als Allheilmittel gegen alle Probleme der Landwirtschaft propagiert.

Wer sich etwas intensiver mit der Materie beschäftigt – unter anderem die Landwirte selbst –, weiss, dass Schwarz-Weiss-Denken bei dieser Diskussion aber ein untaugliches Mittel ist. Wie überall im Leben liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. 

Kleine Bio-Direktvermarktungsbetriebe sind unabhängig von grossen Abnehmern.

Die Bäuerinnen und Bauern bewegen sich in einem Umfeld, das sich in den letzten hundert Jahren extrem verändert hat. Die Schweizer Bevölkerung hat sich mehr als verdoppelt, potentielles Agrarland musste Strassen und Häusern weichen. Mehr Lebensmittel auf weniger Anbaufläche zu ernten, das war wohl die grösste Herausforderung der letzten fünfzig Jahre für die Schweizer Bauern. Es ist ihnen einigermassen gelungen; der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln liegt bei immerhin rund 60 Prozent. Die Produktequalität ist gut, die Ladenregale sind immer zuverlässig gefüllt. Die Lebensmittel sind zudem sicherer als je zuvor, niemand stirbt heute beispielsweise an minderwertiger oder schimmliger Ware. Doch das System hat seine Grenze erreicht.

Obwohl das Landschaftsbild immer noch einigermassen intakt ist, sind die negativen Folgen des «Produktionswunders» auf unseren Äckern und Plantagen unübersehabar: «ausgeräumte» Landschaften, Pestizidrückstände, einseitige Fruchtfolgen, Nährstoffüberschüsse oder der Verlust an Biodiversität beispielsweise. 

Für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft braucht es neue Konzepte.

Coop und Migros

Diese Entwicklung gefördert haben gestiegene Qualitäts-
ansprüche und der anhaltende Preisdruck der Abnehmer. Und das sind in der Schweiz vor allem Coop und Migros, die 70 Prozent des Schweizer Einzelhandels kontrollieren. 

Beide schwenken gerne und oft medienwirksam ihre Nachhaltigkeitsfahnen mit den entsprechenden Programmen. Konkret auf dem Acker bewirken sie eher das Gegenteil: Jedes Jahr bezah-
len die Abnehmer den Bauern für ihre Produkte weniger. Was passiert? Diese müssen immer noch mehr aus ihren Böden holen mit den zuvor beschriebenen Folgen. Anständige Löhne können längstens nicht mehr bezahlt werden. Wer nun übrigens meint, dass die Biobauern von dieser Entwicklung ausgenommen sind, der täuscht sich leider. Diese sind längstens in der gleichen Tretmühle angekommen wie ihre konventionellen Kollegen. Auch hier sind die marktmächtigen Coop und Migros federführend.

Doch auch ich möchte nicht in das Schwarz-Weiss-Schema verfallen. Fairerweise darf man die Rolle des Konsumenten nicht unerwähnt lassen. Er ist es, der am Ladenregal nur die einwandfreien Äpfel herausfischt und der die Inserate mit den «Aktio­nen» beim Einkaufen aus der Hosentasche zieht. Oder gleich ins grenznahe Ausland fährt, um billig einzukaufen. Was dann natürlich wiederum ein Problem für den inländischen Handel ist.

Strenge Qualitätsvorschriften der Abnehmer verlangen entsprechende Massnahmen im Anbau.

Das Beste aus allen Welten

Um zurück zur Eingangsfrage nach dem Landwirtschaftskonzept des 21. Jahrhunderts zu kommen: Ich bin der Mei­nung, dass jeweils das Beste aus allen Landwirtschaftswelten zu einem neuen System ver­eint werden sollte, ohne Scheuklappen und Dogmatismus. Technologie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Bienenfreundliche Blühstreifen können dank Präzisionstechnologie künftig fix in den Anbau eingeplant werden. Gespritzt gegen Schädlinge und Krankheiten wird nur gezielt und dank leistungsfähigen Sensoren sehr genau. Wenn möglich mit biologischen Pflanzenschutzmitteln, die übrigens schon heute auch im konventionellen Landbau immer häufiger angewendet werden. Dank moderner Gentechnologie werden Pflanzen krankheitsresistenter  und kommen mit wenig oder gar keinem zusätzlichen Pflanzenschutz aus. Hackroboter hacken zuverlässig und machen Herbizide überflüssig und schonen den Boden. Salate werden in hocheffizienten Gewächshäusern produ­ziert, damit auf den Feldern mehr Fläche für artenreiche Blumenwiesen frei wird. 

Hydrokulturen können effizient kultiviert werden und entlasten so das Freiland.

Beim Thema Fleisch gilt: Weniger ist mehr. Beim Rindfleisch sollte das Futter von unseren Wiesen idealerweise reichen. Eine standortgerechtere Produktion ist nötig. Es muss nicht alles, was irgendwie möglich ist, in der Schweiz produziert werden! Ein gewisser Selbstversorgungsgrad sollte zwar bewahrt werden, doch die hohe Bevölkerungsdichte in der Schweiz setzt diesem eine natürliche Grenze. Es widerspricht aber auch meinen Vorstel­lungen von globaler Solidarität, im Inland nur noch hochpreisige Nahrungsmittel aus Permakulturen zu produzieren und den grossen Rest zu importieren. Ein Mittelweg ist nötig. 

Bei Fleisch gilt: Weniger ist mehr.

Höhere Preise

Klar ist: «meine» hier proklamierte Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts kostet etwas. Nachhaltig produzierte Lebensmittel eignen sich nicht für Billigkanäle. Preisdruck ist Gift für eine verantwortungsvoll betriebene Landwirtschaft. 

Lesen Sie den Rundbrief

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