ACHTUNG: Ich betreibe KEINEN Handel mit Hummelvölkern!
Das holländische Unternehmen Koppert verschickt jede Woche Tausende von Hummelvölkern zur Bestäubung von Gemüse in die ganze Welt. Am Anfang der Erfolgsstory stand eine Pestizid-Allergie des Firmengründers.
Der Schock lag damals in den 1960er Jahren tief bei Jan Koppert, als sein Körper plötzlich allergisch auf Pestizide reagierte. Aber wie sollte er den Spinnmilben in seinem Gurkenhaus anders Herr werden? Die Antwort holte sich der Holländer bei einem Forscher aus der Schweiz, der mit Nützlingen experimentierte. Es funktionierte. Das sprach sich schnell in der Nachbarschaft herum. Es war der Anfang der Firma Koppert, die zurzeit im biologischen Pflanzenschutz und bei der natürlichen Bestäubung mit Hummeln weltweit führend ist. Heute arbeiten verteilt auf 23 Länder 1000 Menschen für das Unternehmen. Neben zahlreichen Artikeln des biologischen Pflanzenschutzes verlassen Tausende von Hummelvölkern jede Woche die Packstation in Berkel en Rodenrijs in 85 Länder auf allen Kontinenten.
Belgier waren die Ersten
Die zündende Idee lieferte ein belgischer Fachlehrer, der in den 1980er Jahren in seiner Freizeit beobachtete, wie effizient Hummeln bei der Bestäubung von Gemüse und Obst ans Werk gingen. Der Zufall wollte es, dass zu seinem Bekanntenkreis der spätere Gründer des Unternehmens Biobest gehörte, das heute im Bereich des biologischen Pflanzenschutzes neben Koppert eine tragende Rolle spielt. «Vader» Koppert – wie er posthum immer noch liebevoll genannt wird –, nahm die Idee ebenfalls auf und stieg in die Hummelproduktion ein. Praktisch von Anfang an dabei war Produktmanager Remco Huvermann. Die Anbauer hätten schnell gemerkt, dass die Erträge mit den Hummeln deutlich höher lagen und die Arbeitskosten gleichzeitig sanken. «Wir produzierten in allen verfügbaren Räumen und konnten auch so die Nachfrage kaum befriedigen.» Die auf Pestizide sensibel reagierenden Hummeln wiederum öffneten den Markt für die Nützlinge und für mikrobiologische Produkte. Seit ein paar Jahren bietet Koppert zudem Präparate an, die die Widerstandsfähigkeit der Böden verbessern. «Heute verkaufen wir ein ganzes Konzept», sagt Hobby-Imker Huvermann. Mit den in letzter Zeit aufgekommenen Diskussionen um Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln hat das Interesse an den Koppert-Produkten noch einmal deutlich zugenommen.
Moderne Anlagen
Am Ende der Strasse in Berkel en Rodenrijs steht immer noch eines der alten Gewächshäuser von Jan Koppert, wo einst alles begann. Ein paar Meter nebenan wurde vor drei Jahren der neue Hauptsitz gebaut. Früher lieferten hier die Gemüseproduzenten aus der Region mit dem Boot ihre Produkte im Auktionshaus ab, das Kanalsystem aus dieser Zeit besteht immer noch. Heute verladen die Camions hier nicht mehr Gurken und Tomaten sondern Hummeln und Nützlinge. Riesige 20 000 Liter fassende Fermenter stehen in der modernen, hygienisch streng kontrollierten Produktionszone. In den Behältern wachsen unter anderem die Nematoden oder Pilzprodukte heran, die später in der Landwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden.
Die Hummeln selbst werden heute aber in der Slowakei produziert. «Die Arbeit mit den Hummeln ist ziemlich aufwändig», sagt Huvermann. Deshalb habe man sich entschieden, eine neue moderne Anlage im Osten zu bauen, wo die Löhne tiefer seien. Am Hauptsitz findet nur noch das Abpacken der Hummelvölker statt. Die Lastwagen brauchen für die Fahrt von der Slowakei nach Holland 24 Stunden, zwei- bis dreimal in der Woche fahren sie vor.
Nur mit Ausweis in die rote Zone
In die Hummel-Abpackerei kommt man nur mit einem amtlichen Ausweis und ausgerüstet mit Schutzanzügen. «Hier beginnt die rote Zone», sagt Brahim Arab, der für die Verpackung der Hummeln zuständig ist. Dabei handelt es sich eigentlich um eine Aussenstelle des Flughafens für den Versand von lebenden Tieren. Hier finden die Qualitäts- und Veterinärkontrollen statt. Die Zeit bis zum Versand lasse sich so deutlich verkürzen. Die aus der Slowakei angelieferten Boxen mit den Hummelvölkern werden unter rotem Licht kontrolliert, weil die Hummeln bei diesem Licht nichts sehen können. «Hummeln sind wenn sie sich ausserhalb ihres Volkes bewegen wenig agressiv». Was sich aber ändere, wenn ihr «Haus» angegriffen würde, so Huvermann. In einer Box müssen sein: Eine Königin, genug Arbeiterinnen, Larven und Eier. Nur wenn das erfüllt sei, könne sich das Volk entwickeln. «Es müssen genügend Larven vorhanden sein, damit die Arbeiterinnen motiviert sind, beim Kunden im Gewächshaus oder in der Obstanlage auszufliegen und auf den Blüten Nahrung zu sammeln.» Die Rückverfolgbarkeit ist dank einem Code bei jedem Volk gewährleistet. Der als Reiseproviant beigelegte «Pollenriegel» ist keimfrei. Damit wird verhindert, dass Krankheiten verschleppt werden. Hygiene sei ein sehr wichtiges Thema bei Koppert, sagt Huvermann. «Wir handeln präventiv und gehen deshalb hier weiter als gesetzlich vorgeschrieben.»
Innovativ bleiben
Die Bestäubung von landwirtschaftlichen Kulturen mit Hummeln ist inzwischen in vielen Ländern Standard. Mittlerweile zählten aber auch Saatgutfirmen zur Kundschaft. Koppert mit einem geschätzten Anteil von 60 Prozent, Biobest aus Belgien und Agrobio aus Spanien teilen sich den grössten Teil des Marktes untereinander auf. «Es ist gar nicht so einfach, den natürlichen Lebenszyklus eines Hummelvolkes künstlich herbeizuführen», sagt Huvermann. Trotzdem herrsche natürlich ein Wettbewerb, der die Hersteller immer wieder neu ansporne. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Koppert arbeite deshalb ständig an neuen Produkten und Einsatzgebieten. In Zukunft fokussiert man hier noch vermehrt auf die Fruchtbranche. Geforscht wird zudem beim Einsatz von Hummeln unter künstlicher Beleuchtung. Beim «Wireless Beehome» lassen sich die Ausflugsöffnungen schon einmal per Klimacomputer so programmieren, dass die Hummeln nur bei guten Lichtverhältnissen fliegen. Zudem gab es Versuche, dass Hummeln neben der Bestäubung auch noch Pflanzenschutzmassnahmen «durchführen» sollten. «Das System stellte sich aber als zu ineffizient heraus», so Huvermann. Aber für diesen Bereich hat Koppert ja seine Nützlingsabteilung, mit der mittlerweile mehr Umsatz gemacht wird als mit den Hummeln. «Diese dienten uns einst als Türöffner für die Produkte im Bereich des biologischen Pflanzenschutzes.» Und hier liege viel Potenzial für die Zukunft.
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