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Keine Panik vor der Schilfglasflügelzikade


In Deutschland sorgen von der Schilfglasflügelzikaden übertragene Krankheiten zu grossen Ertragsausfällen in Gemüse. In Schweizer Gemüse kommen die Erreger zwar vor, bis jetzt aber weitgehend ohne Symptome. Und das hat möglicherweise gute Gründe.

Die Schilfglasflügelzikade überträgt bakterielle Krankheiten auf Zuckerrüben und Gemüse.

Die Schilfglasflügelzikade infiziert auch Gemüse mit gefährlichen Bakterien. (Bild: Verband Hessisch-Pfälzischer Zuckerrübenanbauer)

Die Schilfglasflügelzikade (Petanstiridius leporinus) sorgt auf süddeutschen Zuckerrüben- und Kartoffelfeldern für Angst und Schrecken. Die Frassschäden der 5 bis 9 Millimeter kleinen Tierchen respektive der aus den Eiern geschlüpften Larven sind aber nicht das eigentliche Problem. Schlimmer ist ihre Funktion als potenzielle Träger der beiden Bakterien Candidatus Phytoplasma solani und Arsenophonus phytopathogenicus. Das Phytoplasma gilt als Verursacher von Stolbur, die ursprünglich als Schwarzholzkrankheit an Reben bekannt ist. Zusammen mit Arsenophonus bildet es einen Erregerkomplex, der die Krankheit SBR (Syndrome Basses Richesses) in Zuckerrüben verursacht. Die Symptome sind vergilbte Blätter und tiefe Zuckergehalte. 

Auch Kartoffeln sind zunehmend betroffen, was sich in schlechter Backqualität manifestiert. Offenbar hat die Schilf-Glasflügelzikade nun ihr Wirtspflanzenspektrum für beide Bakterien auf Gemüse erweitert: Auf deutschen Feldern mit Karotten, Randen, Sellerie oder Pastinaken kam es teilweise zu grossen Ertragsverlusten. Die dort als «Bakterielle Wurzelgemüsewelke» bezeichnete Krankheit lässt die Alarmglocken bei Schweizer Gemüsegärtnerinnen und -gärtner läuten. 

Schweiz noch weitgehend verschont

«Keine Panik», sagt Andreas Keiser von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL. Er beschäftigt sich intensiv mit der Schilfglasflügelzikade. In der Schweiz waren in den letzten Jahren vor allem Zuckerrüben in der Westschweiz von SBR befallen, mit tiefen Zuckergehalten als Folge. Zudem wurden Infektionen in Kartoffeln nachgewiesen, die durch schlechte Backqualität auffielen. Bei Gemüse seien in der Schweiz zwar sowohl Stolbur als auch Arsenophonus nachgewiesen worden. Allerdings weitgehend ohne sichtbare Symptome, erklärt er. Nur bei infizierten Randen seien vereinzelt die Zuckergehalte gesunken. «Im Vergleich zu Deutschland sind wir beim Gemüse immer noch in einer guten Situation.» Keiser hat eine Vermutung, weshalb dies so ist: «In der Schweiz stellen wir praktisch kein Stolbur fest, sondern vor allem Arsenophonus und zudem praktisch nie beide auf einer Kultur.» Auf den stark befallenen Karotten in Deutschland hingegen wüteten beide Erreger gleichzeitig und sorgen so erst für die gummigen Wurzeln. 

Vieles sei noch unbekannt und müsse weiter untersucht werden, sagt er. In Deutschland vermutet man einen Einfluss der Winden-Glasflügelzikade, welche Stolbur möglicherweise von den Reben her ins Gemüse brachte. In der Schweiz trete diese Zikadenart aber praktisch nicht auf, erklärt Keiser. Auch interessant: Bei einem Monitoring in einem Selleriefeld im Seeland gingen viele mit Arsenophonus befallene Schilf-Glasflügelzikaden in die Klebefalle. Der Sellerie selbst war aber nicht infiziert. Andreas Keiser hofft, dass das Schweizer Gemüse weiterhin von einem starken Befall der beiden Erreger verschont bleibt. «Vor allem Stolbur sollten wir möglichst lange von der Schweiz fernhalten.» 

Vorbeugend Zwischenbegrünungen

Die HAFL forscht bei den Zuckerrüben an vorbeugenden Bekämpfungsmassnahmen, von denen auch der Gemüsebau profitieren könnte. Recht viel verspricht er sich von speziellen Winterbegrünungen beispielsweise mit Klee und Phacelia, in denen sich die Nymphen nicht weiter entwickeln können und absterben. Bei den Zuckerrüben hat der Einsatz von SBR-toleranten Sorten in Kombination mit dem Verzicht auf eine Winterkultur bereits Erfolge gezeigt. Die HAFL führt Versuche mit gebeiztem Saatgut in Winterweizen durch, was eine Bekämpfung an der Quelle ermöglichen würde. Beim direkten Einsatz beispielsweise von Pyrethroiden, wie er im Rahmen von Notfallzulassungen in Deutschland diskutiert wird, sieht Andreas Keiser hingegen mehr Probleme als Chancen.


Gemüsesorten mit nachgewiesenem Befall von Stolbur und/oder
Arsenophonus (in Deutschland):


Mit Symptomen und einem vollständigen Zikaden-Zyklus: Randen, Karotte, Pastinake, Wurzelpetersilie

Mit Symptomen ohne vollständiger Zikaden-Zyklus: Knollensellerie, Paprika, Physalis

Ohne Symptome und ohne vollständigen Zikaden-Zyklus: Rhabarber, Weiss-/Rotkohl, Chinakohl, Zwiebeln


Quelle: Julia Böhringer (Beratungsdienst Gemüsebau Baden-Württemberg) und Johannes Ritz (Bioland Deutschland)

Veröffentlicht in Blog

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