Bei Steffen-Ris AG in Bätterkinden lagern in den Wintermonaten 12 000 Karotten. Wie lange diese knackig bleiben, entscheidet sich bereits bei der Ernte. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an die Lieferanten.
Bätterkinden ist ein Karotten-Hotspot: Mit Rüebli beladene Traktoren gehören hier ebenso zum Ortsbild wie die grossen Lastwagen der Firma Steffen-Ris AG, die Gemüse und Früchte von hier aus an den Detailhandel in der ganzen Schweiz ausliefern. Zu dieser Zeit Ende Juni ist es Raphael Müller allerdings lieber, wenn die Karottenproduzenten mit ihrer Ware nicht nach 9 Uhr bei der Anlieferung ankommen. «Wenn die Karotten bei zu warmen Temperaturen geerntet werden, leidet die Qualität», sagt der Product Manager für Gemüse. Die optimale Erntetemperatur für Karotten liegt bei unter 10 Grad. Im Sommer ist das ein Ding der Unmöglichkeit, deshalb verlangt Müller von seinen Lieferanten, dass sie am Morgen früh im Feld unterwegs sind. Je nach Auslastung der Erntemaschine kann das bedeuten, dass einige bereits um 3.30 Uhr mit der Arbeit beginnen müssen. «Doch die Allermeisten verstehen, dass besondere Massnahmen nötig sind, damit die Karotten knackig bleiben», sagt Müller. Es sind Ausnahmen unter den Lieferanten, die am Vorabend die geernteten Karotten in einem Schopf abstellen und sie am morgen Früh in Bätterkinden anliefern. Die geübten Augen bei der Annahme würden dies aber schnell durchschauen: «Enthält die obere Schicht viele weiche Karotten, dann haben sie bereits zu viel Feuchtigkeit verloren.»
Zu wenig Erdanteil ist kontraproduktiv
Kein Lagergemüse ist anspruchsvoller in der Lagerung und Aufbereitung als Karotten. Werden Karotten nicht bei 0 bis 1 °C gekühlt und bei nahezu 100 Prozent Luftfeuchtigkeit gelagert, ist es ziemlich schnell um sie geschehen. Die Fenaco-Tochter Steffen-Ris AG betreibt in der Industriezone von Bätterkinden auf einer Fläche von 2,4 Hektaren eine der grössten Karotten-, Zwiebel– und Kartoffelaufbereitungsanlagen der Schweiz. Die Lagerkapazitäten betragen 24 000 Tonnen. Voraussichtlich 12 000 Tonnen Schweizer Lagerkarotten wird das Unternehmen in diesem Jahr von Schweizer Gemüseproduzenten beziehen.
Zurzeit sind die Lager fast leer, die Frischkarotten sind wegen der ausgeglichenen Marktsituation nur ganz kurz in den Lagerräumen. Doch ab Oktober geht es los mit der Anlieferung der Lagerkarotten. Die Aussentemperaturen sind im Herbst ein Problem, wenn es zu spätsommerlichen Wärmeeinbrüchen kommt, was dann zum temporären Unterbruch der Ernte führen kann. Die vollen Paloxen sollten zudem auch bei akzeptablen Lufttemperaturen von 10 bis 15 °C nicht zu lange auf dem Feld stehen bleiben. Und Vorsicht: trockene Holzpaloxen entziehen den Karotten Feuchtigkeit. Bei einem zügigen Wind wie der Bise steigt das Risiko zusätzlich, dass Karotten austrocknen. Der richtige Zeitpunkt der Ernte ist letztlich wichtig für die Lagerfähigkeit der Karotte: «Werden sie zu früh geerntet, sind die Karotten noch sehr atmungsaktiv, verpasst man den Zeitpunkt, platzen sie», sagt Qualitätsmanagerin Melanie Martens. Im Gegensatz zu den Frischkarotten, die innert kurzer Zeit in den Verkauf kommen, wirkt sich bei den Lagerkarotten unsorgfältiges Arbeiten auf dem Feld fataler aus. Äussere Beschädigungen begünstigen Pilzbefall und führen zu Feuchtigkeitsverlusten. Beides ist schlecht für Karotten, die im extremsten Fall erst in einem halben Jahr für den Verkauf aufbereitet werden. Besonders anfällig für Reibschäden seien Karotten in grobsandigen Böden, sagt Martens. «Böden mit einer Oberfläche wie Schmirgelpapier sind deshalb eher ungünstig für eine beschädigungsfreie Karottenproduktion.» Wichtig für den erfolgreichen Karottenanbau sei zudem die Wahl der passenden Sorte. Steffen-Ris gebe hier ein Spektrum vor, lasse den Lieferanten aber die Wahl. «Meistens wissen diese am Besten, welche Sorte zu ihrem Boden und zur Schädlings- und Krankheitssituation in ihrer Gegend passt», sagt Müller.
Fünf Prozent mehr Ausbeute
Eine entscheidende Rolle spielt das Ernteverfahren: «Das Erntesystem muss mit dem Boden zusammenpassen», sagt Martens. Beispielsweise sei die Bunkerernte in grobsandigen Böden problematisch. Die Bedienung der Erntegeräte selbst birgt zusätzliche Risiken, so sollten Rüttler nicht zu stark eingestellt sein. «Immer wieder treffe ich zudem die Situation an, dass Karotten auch mit wenig Erde behangen trotzdem noch geputzt werden», sagt die Qualitätsmanagerin. Ideal für die Lagerung ist aber ein Erdanteil von 10 bis 15 Prozent. «Unsere Lieferanten wollen so die bei zu hohen Erdanteilen fälligen Abzüge minimieren», sagt Müller. Zu wenig Erdanteil sei aber kontraproduktiv, weil die Lagerfähigkeit dann schlechter sei. Aus diesem Grund mache Steffen-Ris keine Abzüge für Erdanteile bis zu zehn Prozent. Bei höheren Anteilen seien aber Beiträge nötig, um die Kosten für die Entsorgung der Erde zu decken.
Beim oft geäusserten Vorwurf aus der Produktion, dass die Abzüge in den letzten Jahren höher geworden seien, verweist Müller auf jüngste Erfahrungen mit der neuen Karottenlinie: «Dank unserer neuen Sortieranlage ist die Ausbeute der Karotten um fünf Prozent gestiegen!» Davon profitierten auch die Lieferanten. Aber natürlich seien die Qualitätsanforderungen der Abnehmer in den letzten Jahren immer höher geworden und die Konkurrenz härter. Steffen-Ris sei hier in einer klassischen Sandwich-Situation. Müller ist aber froh, dass sich auch die Produktion angepasst hat und heute sehr professionell arbeite.
Lagerposten werden regelmässig beprobt
Während der Lagerphase in den Winter- und Frühlingsmonaten werden wöchentlich Proben genommen um den Zustand der einzelnen Posten zu beurteilen. «Je nachdem wird eine Charge früher oder später zur Aufbereitung freigegeben», sagt Martens. Es komme relativ selten vor, dass bei der Anlieferung als gut taxierte Karotten ein paar Monate später allenfalls noch für die Industrie oder gar nicht mehr verwendet werden können. Den Preis dafür bezahlt der Produzent. «Hier zeigt sich, wie wichtig die strikte Einhaltung der Kühlkette und die Sorgfalt bei der Ernte ist.» Pilzinfektionen seien auf den ersten Blick kaum sichtbar, könnten sich aber schnell ausbreiten, unabhängig von der Temperatur im Lager. Bei Qualitätsproblemen am Verkaufspunkt seien aber in den meisten Fällen die hohen Ladentemperaturen der Auslöser, sagt Müller. Eigentlich wäre es am Besten, die Karotten im Kühlregal zu verkaufen.
Weshalb dies immer noch nicht der Fall ist, ist vielen in der Branche rätselhaft. Dabei würde es nur darum gehen, die Kühlkette bis wirklich ganz am Schluss einzuhalten. Nur so zahlt sich der riesige Aufwand ganz aus, der betrieben wird, um die Kühlkette vom Feld bis zur Auslieferung einzuhalten. Es bleibt zu hoffen, dass der Endkonsument diese Lücke im Laden möglichst schnell wieder schliesst, und die Karotten bei sich zu Hause im Kühlschrank aufbewahrt.
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