Der Preiskampf im Detailhandel setzte sich im letzten Jahr fort. Hohe Gemüseerträge machten Aktionen für die Gemüseproduzenten nötig. Allerdings besteht bei einzelnen Produkten bald die Gefahr, dass der Aktionspreis zum Dauertiefpreis wird. Experten raten den Detaillisten zu mehr Selbstbewusstsein im Wettbewerb mit den Hard-Discountern.
Für kleine Kaffee- oder Bananenproduzenten aus Mittelamerika ist die Schweiz ein gutes Pflaster. In keinem anderen Land geben Konsumenten mehr Geld für so genannt «fair gehandelte» Produkte mit dem Max Havelaar Label aus. Viele Schweizer Gemüseproduzenten dürften sich im letzten Jahr gefragt haben, ob es vielleicht nicht an der Zeit wäre, ein solches Label für Schweizer Produkte anzuwenden? Wenn in den Läden 2 Kilogramm Karotten für 1.79 Franken verkauft werden beispielsweise. Oder wenn sie als Lieferanten gerade noch 5 Franken für ein Kilogramm Nüsslisalat erhalten. Im Unterschied zu den Max Havelaar-Bauern in Mittelamerika müssen sie den Preiskampf mit den mächtigen Abnehmern mehr oder weniger gnadenlos mitmachen. Der Preiskampf unter den Detaillisten setzte sich im letzten Jahr fort und hat mit dem Markteintritt von Lidl neue Dimensionen erreicht. Dummerweise für die Gemüseproduzenten ist gerade der Frischmarkt besonders umkämpft. Detailhandelfachleute sind sogar der Meinung, dass in diesem Segment der Kuchen des künftigen Detailhandels aufgeteilt wird. Und obwohl dieser nicht unbedingt grösser wird, verfolgen viele Detailhändler – vor allem Migros und Coop – neben der Preis- eine Expansionsstrategie. Auch im letzten Jahr hat die durchschnittliche Verkaufsfläche in der Schweiz wieder zugenommen. Das Markforschungsinstitut gfk schätzt sie auf 1,6 m2 pro Kopf, was in Europa ein absoluter Spitzenwert bedeutet. Und dieser drückt natürlich auf die Margen und somit auf die Kalkulation der Preise. Mit den negativen Folgen für die Lieferanten.
Karotten werden zum Dauertiefpreis-Produkt
Schuld an den eher tiefen Preisen waren im letzten Jahr aber nicht primär die Detaillisten. Alleine Petrus – ein alter Bekannter in der Gemüsebranche – sorgte bei vielen Kulturen für ein üppiges Angebot. «Wir brauchten im letzten Jahr deshalb Aktionen bei den Grossverteilern, um die Ware überhaupt verkaufen zu können», sagt Pascal Toffel vom Verband schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP). Er warnt aber gleichzeitig davor, dass einzelne Produkte auffallend häufig in Aktionen verkauft werden, wie beispielsweise die Karotten. «Der Aktionspreis wird so schleichend zum Dauertiefpreis», sagt Toffel. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten an das tiefe Aktions-Preis-Niveau bei Karotten gewöhnen und bei den «normalen» Preisen bald nur noch den Kopf schütteln.
Von Discount abheben
Die Negativ-Spirale bei den Preisen im Gemüsesektor ist eine Folge des Abnützungskampfes, den sich die Grossverteiler seit dem Markteintritt von Aldi und Lidl auf der Preisebene liefern. Alle suchen geeignete Mittel um die Leute in die Läden zu holen. Oder um wenigstens zu verhindern, dass sie auf die andere Strassenseite zum Discounter wechseln, nur weil dort der Kopfsalat ein paar Rappen günstiger ist. Ob sie das tatsächlich tun, sei sowieso dahingestellt. Allein die Angst vor dem Verlust von Marktanteilen treibt Coop, Migros sowie andere Detaillisten zu diesen Preisoffensiven. Praktisch alle benutzen mittlerweile Tiefpreis-Linien. Vielleicht wäre ein bisschen mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten hilfreich: «Mit Preisabschlägen und Aktionen schaden sich die etablierten Händler, weil durch die ständige Fokussierung auf den Preis die Hard-Discounter (Anmerkung der Redaktion: Aldi und Lidl) an Bedeutung gewinnen», brachte es der St. Galler Professor und Detailhandelsexperte Thomas Rudolph in einem Interview im Magazin «bio aktuell» auf den Punkt. Ausserdem hat das Marktforschungsinstitut gfk herausgefunden, dass selbst im «Discounterparadies» Deutschland das Preisargument an Bedeutung verliert. Immer häufiger geben Kunden in Befragungen an, dass sie beim Kauf in erster Linie auf die Qualität achten. Ungeachtet davon lieferten sich in Deutschland die Discounter allerdings im letzten Jahr einen noch nie gesehenen Preiskampf. Noch ist diese Welle nicht in die Schweiz übergeschwappt, obwohl Migros-Chef Herbert Bolliger Ende Jahr in einem Interview mit der Zeitung «Sonntag» bereits Zustände wie in Deutschland in der Schweiz beklagte. Damit lenkte er aber wohl mehr vor eigenen Problemen ab, wie beispielsweise den hohen Infrastrukturkosten von Migros. Denn in der Schweiz sind Aldi und Lidl bezüglich Marktanteilen nach wie vor eine relativ kleine Nummer. Und ihre Auftritte fallen deutlich weniger aggressiv aus als in Deutschland. Beide sind sichtlich bemüht, ein gutes Image zu schaffen. Was ihnen eigentlich bisher gar nicht so schlecht gelungen ist.
Der Verlust kommt schleichend
Bleibt also die Frage, wohin dieser Preiskampf unter den Detaillisten noch führen wird? Die Preisspirale werde sich weiter nach unten drehen, sagte der Detailhandelsexperte Peter Fuhrer in der «NZZ am Sonntag». Und zwar so lange, bis gewissen Lieferanten und Händler mit den Reduktionen nicht mehr mithalten könnten. Schon heute beklagen sich viele Gemüseproduzenten darüber, dass sie ständig mehr arbeiten müssten um gleich viel zu verdienen. Von fairen Preisen kann kaum mehr die Rede sein. «Migros senkt Dir ohne mit der Wimper zu zucken von heute auf morgen den Preis für Nüsslisalat um zwei Franken, weil ihn Aldi und Lidl gerade günstig anbieten», beklagt sich Gemüseproduzent M. S.* Ganz zu schweigen davon, dass bei weiter sinkenden Preisen Abstriche bei der Qualität unvermeidbar sind. Und das will in der Gemüsebranche sicher niemand. Denn immer wieder wird betont, wie wichtig die Qualität sei, gerade im Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz. Helfen könnten hier nur ein gemeinsames Handeln und Auftreten der Gemüseproduzenten, ist oft zu hören. Doch die Automatismen des Marktes stehen dieser Idee entgegen: Es wird immer einzelne Produzenten geben, die – aus was für Gründen auch immer – die Richtpreise unterbieten. Womit das ganze Preisgefüge ins Rutschen kommt. Ein Teufelskreis. Nur, wie man da rauskommt, das weiss niemand so genau.
Max Havelaar für Schweizer Gemüse?
Ein möglicher Ausweg könnte dereinst vielleicht tatsächlich die Orientierung in Richtung eines fairen Handels für Inlandprodukte sein. Der Fachbegriff «Domestic Fair Trade» (DFT) dazu existiert bereits. In der Biobranche beispielsweise beschäftigt man sich heute schon relativ intensiv mit möglichen DFT-Konzepten. Es geht darum, der Kundschaft zu erklären, weshalb sie für ein Produkt mehr bezahlen soll, nur weil es aus dem Inland kommt. «Regionale Herkunft», «umweltfreundlich angebaut», «kurze Transportwege» oder eben «faire Löhne» könnten die Argumente lauten. Hatten wird das nicht schon? Richtig: das Herkunftszeichen «Suisse Garantie» verfolgt eigentlich ganz ähnliche Ziele. Fragt sich nur, ob diese Botschaften bei den Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich ankommen.
* Name ist der Redaktion bekannt.
PDF des Artikels in der Zeitschrift „Der Gemüsebau“ (deutsch)-d
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