Ferien auf dem Bauernhof. In Irland bieten über 400 Bauernbetriebe Übernachtungen als Bed & Breakfast an. Der Standard ist hoch.
Drei Rinder und ein paar Schafe grasen vor dem Bertra House. Der Strand der Clew Bay an der Westküste in Irland liegt nur ein paar hundert Meter vom Haus entfernt, und ist bei Spaziergängern und Vogelliebhabern sehr beliebt. Margaret Gill bereitet gerade die Räume für die nächsten Gäste vor. Das Haus wirbt mit dem Label der Irish Farmhouse Holidays Association, vergleichbar mit dem Verein „Ferien auf dem Bauernhof“ in der Schweiz. Seit 19 Jahren empfängt Margaret Gill auf ihrem kleinen Bauernhof Gäste aus aller Welt. Manche hätten sich in die grünen Hügel und die Spaziergänge am Meer verliebt und kämen immer wieder. Darunter ein Schweizer Ehepaar aus Liestal, das sich mittlerweile in der Gegend ein eigenes Ferienhaus gekauft habe. Die bisherige Saison sei aber enttäuschend verlaufen, berichtet Margaret Gill. Den Grund ortet sie im Wegbleiben der amerikanischen Touristen nach dem Terroranschlag in New York vom letzten Jahr. Zudem habe die Einführung des Euro für eine enorme Verteuerung des Lebens in Irland gesorgt. Laut einer jüngst veröffentlichten Statistik ist Irland in der Euro-Zone das zweitteuerste Land. Die Zeiten, in denen Irland zu den bevorzugten Zielen von Rucksacktouristen zählte, sind vorbei.
Landwirtschaft steht nicht im Zentrum
Die meisten Gäste landen nicht im Bertra House, weil sie Schafe streicheln oder Kuhglocken hören wollen. Die Gelegenheiten dazu wären ohnehin nicht allzu gross, da der Betrieb eigentlich nur noch im Nebenerwerb geführt wird. Viele Touristen fahren zufällig am Haus vorbei und sind auf der Suche nach einer günstigen Unterkunft. Das finden Sie in den Farmhouse Bed & Breakfast, die Betten zu einem für Irland günstigen Preis von zwischen 28 und 35 Euro anbieten. Die Qualität ist in der Regel hoch, da die Bauernhöfe in Konkurrenz zu einer Vielzahl von den in Irland typischen „normalen“ B&Bs“ stehen. Man müsse dauern mitziehen, erklärt Margaret Gill. Ihre Zimmer sind mit WC und TV ausgestattet, trotzdem gab der Inspektor nur drei Sterne, weil eines der Zimmer von der Grösse her nicht ins Schema passte. Sonst hätte sie fünf Sterne erhalten, zeigt sie sich überzeugt. Ihr Haus präsentiert sie mit eigener Website im Internet. „Die Anzahl Buchungen aus dem Cyberspace ist zwar noch gering, doch sie wächst stetig“, zeigt sie sich zuversichtlich.
E-Mail wird täglich gecheckt
Das Internet für sich entdeckt hat auch die 67jährige Brigid O’Connor von der Burren View Farm in Kinvara, die südlich von Galway an der Meeresküste liegt. Seit ihr ein Tourist aus Italien durch die Lappen gegangen ist, checkt sie ihr E-Mail täglich. Man müsse eben mit der Zeit gehen, erklärt sie mit den Schultern zuckend. Mary O’Connor ist die eigentliche Pionierin der Farmhouse B&Bs in der Gegend. Vor 34 Jahren hat sie aus einer Notsituation heraus eine Anzeige in einer grossen Irischen Zeitung geschaltet, worauf zu ihrer Verblüffung gleich sechs Buchungen eingegangen seien. Sie war weit und breit die erste Anbieterin dieser Art. Seither bildet der Tourismus ein wichtiges Standbein, das immerhin für vier Kinder reichen musste. Auf den 57 Hektaren Weiden grasen noch rund 30 Rinder. Mit diesen sind in der gegenwärtigen kritischen Situation, in der sich die irische Landwirtschaft befindet, keine Geschäfte zu machen. Der Sohn, der den Betrieb führt, musste vor ein paar Monaten ausserhalb der Landwirtschaft einen Job suchen. Deshalb wird der Betrieb nur noch als Teilzeitbetrieb bewirtschaftet. Nach Angaben der Irish Farmhouse Holidays Association werden aber rund 60 Prozent der angeschlossenen Bauernhöfe im Vollzeitpensum geführt. Die Burren View Farm in Kinvara zählt mit Sicherheit zu den weniger komfortablen Unterkünften der Irish Farmhouse Holidays Association. Umso beindruckender und authentischer fällt das typische Irish Breakfast mit den unvergesslichen Würstchen in der Stube der Familie aus. Viele Fotos zeugen von einer bewegten Vergangenheit auf dem kargen Land von Irland, das noch vor nicht allzu langer Zeit zu den europäischen Armenhäusern zählte.
Mehr Hotel als Bauernhof
In Irland bieten rund 400 Bauernbetriebe Betten zur Übernachtung an. Für die Mitgliedschaft im Verband und den Eintrag im Katalog müssen 520 Euro jährlich bezahlt werden. Als Mindestgrösse für die Aufnahme gilt eine bewirtschaftete Fläche von 10 Hektaren. Inspektoren überprüfen und beurteilen die Mitglieder regelmässig, um den Standard zu gewährleisten. Wenn Klagen eingehen, werde der Betrieb aber unverzüglich überprüft, versichert Eileen Mc Donogh von den Irish Farmhouse Holidays. Dass irische Farmen nicht mit Schweizerischen verglichen werden können, wird spätestens nach dem ersten Blick in den Katalog offensichtlich. Die darin abgebildeten Häuser gleichen mehr Herrschaftshäusern als Bauernhöfen. In Irland ist das Wohnhaus in der Regel deutlich vom Wirtschaftsgebäude abgetrennt, manche Farmen sind als solche von aussen deshalb kaum zu erkennen. Der Duft nach Mist und Tier dringt oft nicht bis zum Zimmer vor. Diese sind übrigens häufig mit eigener Dusche und TV ausgestattet. Die Bereitstellung von Beschäftigungsprogrammen in der Freizeit scheint in der irischen Version von Ferien auf dem Bauernhof zudem eine grosse Rolle zu spielen. Im Katalog weisen die entsprechenden Symbole auf einen nahegelegenen Golfplatz, Tennisplatz oder Bootsplatz hin. Die Zeichen für „Farmbetrieb, der besichtigt werden kann“ oder „Gäste können mitarbeiten“ sind nur an wenigen Orten aufgeführt.
Sensationelle Lagen in der Natur
Der Reiz an Farmhouse Ferien in Irland liegt in erster Linie in den vorzüglichen Lagen, in denen sich die Gasthäuser in der Regel befinden. Irland geizt nicht mit landschaftlichen Reizen und ist ein Paradies für Leute, die sich nach Ruhe und Natur sehnen. Die Farmhouse B&Bs liegen oft in ruhigen, wenig erschlossenen Gegenden. Der Standard der Häuser variiert allerdings stark. Empfohlen wird deshalb ein prüfender Blick ins Zimmer vor dem Bezug der Betten. Das bevorzugte Reisemittel in Irland ist das Auto, weil es für eine gewisse Unabhängigkeit bürgt, und die spontane Auswahl der Loge ermöglicht. Immer mehr Touristen satteln die Fahrräder, was wegen des noch geringen Verkehrs eine gute Alternative bildet. Wer lieber zum Voraus buchen möchte, der kann das von zu Hause aus über das Internet tun.
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