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In Erwartung des Pendlerstroms

pendlerstrom2Der neue Zürcher Durchgangsbahnhof Löwenstrasse bringt moderne Architektur und Zweckmässigkeit auf einen Nenner.

Niemand auf der Welt fährt so viel mit der Eisenbahn wie die Schweizerinnen und Schweizer. Offiziell waren es im letzten Jahr 2307 Bahnkilometer je Einwohner; 556 Kilometer mehr als noch zehn Jahre zuvor. Den Titel dürfte die Schweiz nicht so schnell verlieren: Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) rechnet im Personenverkehr bis 2030 mit einem weiteren Wachstum von 40 Prozent. Es wird deshalb eng auf den Perrons der grossen Bahnhöfe. Niemand rechnete vor fünfzig oder hundert Jahren mit einer derartigen Entwicklung, schon gar nicht die damaligen Planer der Bahnhöfe. Deshalb stauen sich heute in diesen zu Stosszeiten die Menschenmassen auf den zu engen Treppen und in den verwinkelten Durchgängen. Oft fehlt es aber an Platz für bauliche Erweiterungen, die diese Passagierströme vernünftig verwalten könnten.

In den Untergrund ausweichen

Aber Not macht erfinderisch: Nur so ist es zu erklären, dass man in Zürich auf die verrückte Idee kam, einen zusätzlichen Bahnhof 16 Meter unter dem bisherigen Bahnhof zu bauen und das erst noch unter dem Fluss Sihl durch. Seit diesem Jahr ist der unterirdische Bahnhof Löwenstrasse in Betrieb. Als erster Teil und Herzstück der sogenannten Durchmesserlinie, die den Zürcher Hauptbahnhof endgültig zum Durchgangsbahnhof macht. Bereits vor bald 25 Jahren wurde der unterirdische S-Bahnhof Museumstrasse eröffnet, der durch einen Stadttunnel mit dem Bahnhof Stadelhofen verbunden ist. Doch im neuen Untergrundbahnhof gegenüber sind die Dimensionen deutlich grösser. Vorerst fahren dort zwar erst ein paar S-Bahnlinien in einer Linkskurve direkt unter der Stadt durch den neu erbauten 4,8 Kilometer langen Weinbergtunnel nach Oerlikon. Ende 2015 wird der zweite Teil der dann 9,6 Kilometer langen Durchmesserlinie in Betrieb genommen werden. Dann werden auch die Fernzüge von Genf nach St. Gallen einen grossen Teil der Stadt Zürich unterirdisch und direkt unterqueren. U-Bahn ähnliche Zustände werden dann am anderen Ende der Linie am Bahnhof Oerlikon herrschen: Alle zwei Minuten wird dort ein Zug an den Hauptbahnhof fahren.

 

Pendlerströme durchschleusen

Noch ist es fast gespenstig ruhig am neuen Bahnhof Löwenstrasse. In der Halle Sihlpost sorgt das Geplätscher des Brunnes in der eigens geschaffenen Ruhe-Oase auch akustisch für eine entspannte Atmosphäre. Die von einem grossen Möbelhaus gesponserten Ruhesessel bleiben noch leer. Das Fahrtreppen-Trio nebenan, das auf die neuen Perrons 31 bis 34 führt, befindet sich oft im «Stop & Go»-Modus. Die breiten Durchgänge lassen aber erahnen, was hier in ein paar Jahren los sein wird, wenn nicht mehr nur die S-Bahnen sondern auch die Intercitys aus Genf hier halten. Der Architekt Jean-Pierre Dürig plante bewusst glatte und schnelle Räume. Die Pendler sollen in der für einen Untergrundbahnhof auffallend hellen Umgebung möglichst rasch ihre Wege finden ohne störende Hindernisse, die den Fluss unterbrechen könnten. Der Entwertungsapparat steht vor der Säule und nicht nebenan, Sitzgelegenheiten sind rar, Geschäfte fehlen. Hier soll niemand lange verbleiben, schade eigentlich für die goldene Decke über den breiten Perrons. «Links gehen, rechts stehen» steht bei den Rolltreppen. Ein Verhalten, das aus dem Pendleralltag kommt, wird zum fixen Element des Passagierfluss-Managements. Zusätzlich unterstützt durch gelb markierte Schuhsohlen auf der Rolltreppe, die das Stehen respektive Gehen visualisieren.

 

Von hell nach dunkel

Vieles ist im Bahnhof Löwenstrasse auf die steigenden, schnell fliessenden Pendlerströme ausgerichtet. Aber nicht alles: Einen Stock höher warten neu gestaltete unterirdische Passagen und Hallen mit wunderbaren Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten auf. Wer verträumt durch die helle Passage Gessnerallee an den Geschäften vorbeischlendert landet aber schliesslich relativ unsanft in der über zwanzig jährigen düsteren Halle Landesmuseum mit schwarzen Decken und Wänden. Fast schon beängstigend ist der Abstieg in den dunklen, alten S-Bahnhof Museumstrasse auf der von Pendlern vollgestopften einzigen Rolltreppe. Die Leute stehen sich auf den engen Perrons gegenseitig auf den Füssen herum. Man wünschte sich hier nur etwas: Mehr Licht und mehr Platz.

Veröffentlicht in Blog

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