Heidelbeeren liegen im Trend. In den letzten Jahren sind deshalb viele Bauern in die anspruchsvolle Kultur eingestiegen. Noch sind die Abnahmepreise für Schweizer Heidelbeeren relativ hoch und decken die Produktionskosten. Doch Experten warnen vor der billigen Konkurrenz aus dem Ausland.
Heidelbeeren sind zurzeit die Überflieger in der Welt der Beeren. Fast wie Pilze schossen in der Schweiz in den letzten Jahren neue Heidelbeeranlagen aus den Böden. In zehn Jahren hat sich die Anbaufläche verdreifacht, von 22 auf über 65 Hektaren in diesem Jahr. Alleine in den letzten zwölf Monaten sind die Flächen um zwanzig Prozent angestiegen. Worin liegen die Gründe für diesen Boom? Gerade in Zeiten von ins bodenlose fallenden Milchpreisen suchen Bauern bessere Produktionsalternativen. Und bei den Heidelbeeren sind die Aussichten gut: Der Konsum nimmt seit Jahren zu und die einheimischen Heidelbeeren können problemlos zu anständigen Preisen verkauft werden. Und es besteht noch Potenzial für mehr: Der Inlandanteil ist immer noch gering, der deutlich grössere Teil der Heidelbeeren wird immer noch importiert. Als relative arbeitsintensive Kultur erhöht sie zudem den sogenannten Standardarbeitskraft-Faktor auf dem Betrieb. Wenn dieser zu tief ist, gilt der Bauernhof nämlich nicht mehr als landwirtschaftliches Gewerbe und verliert das Anrecht auf den Bezug unter anderem von Direktzahlungen. Zum Flächen-Wachstum beigetragen hat zudem der Bund selbst, in dem er bis ins letzte Jahr die Bauern mit Spezialprämien für den Einstieg in den Heidelbeer-Anbau motivierte.
Hohe Anfangsinvestitionen sind nötig
Doch die Kultivierung von Heidelbeeren ist anspruchsvoll. Wie ihre ursprünglichen Verwandten im Wald bevorzugen die gezüchteten Kulturheidelbeer-Sorten saure Böden wie beispielsweise Moorböden. Weil nur die wenigsten Bauernhöfe natürlicherweise über solche verfügen, müssen sie die Umgebung entsprechend anpassen. In der Praxis geschieht dies oft mit einer Mischung aus Torf, Holzschnitzeln oder Sägemehl. Dazu muss auf dem Betrieb genug Wasser für die Bewässerung der Heidelbeeren zur Verfügung stehen. Für eine Hektare Heidelbeeren mit 2000 bis 3000 Stöcken fallen Investitionen von zwischen 100’000 und 200’000 Franken an, je nach dem ob noch ein Hagelschutznetz angebracht wird. Günstiger ist die Kultivierung in Containern, die immer beliebter wird. Dieses System braucht bedeutend weniger Substrat. Und dieses ist ein grosser Kostenfaktor: Torf muss aus dem Ausland eingeführt werden und bei den Holzrestprodukten stehen die Bauern zunehmend in Konkurrenz zu Energieanbietern. Im biologischen Landbau ist Torf zudem verboten.
Maschinelle Ernte
Ohne Hagelschutz müssen die Brüder Oliver und Marius Brupbacher in Oberstammheim ZH auskommen. Der Grund liegt im Beerenvollernter, der mit seinen drei Metern schlicht zu hoch ist. Mit der maschinellen Ernte stehen die beiden in der Schweiz weitgehend alleine da, in der Schweiz ist sonst Handernte üblich. Das Prinzip ist relativ einfach: Die Maschine schüttelt die Büsche und fängt die Heidelbeeren auf. Pro Stunde schafft sie bei vollem Behang über 100 Kilogramm, ein geübter Handernter schafft in der gleichen Zeit 6 bis 8 Kilogramm. Die Brupbachers gehören mit ihren drei Hektaren Heidelbeeren in Oberstammheim ZH zu den grösseren Produzenten in der Schweiz. Vor zehn Jahren setzten sie die ersten Büsche. «Wir suchten neben den elf Hektaren Spargeln ein zweites Standbein, das uns beiden ein Einkommen auf dem Betrieb ermöglichte», sagt Oliver Brupbacher. Der Start sei aber schwierig gewesen. Es gab damals höchstens eine Handvoll professionelle Heidelbeerproduzenten. Deren Ratschläge taugten aber wenig. Heute weiss Oliver auch weshalb: «Es gibt eigentlich kein allgemein gültiges Anbausystem bei Heidelbeeren, weil jeder Boden andere Ansprüche stellt.» In den ersten Jahren gehe es deshalb vor allem darum, den Pflanzgrund in den Griff zu bekommen. «Mittlerweile haben wir den Boden gut im Griff», sagt Brupbacher. Neben dem Boden und dem Pflanzenschnitt im Winter sei vor allem das Pflanzgut entscheidend. Dieses beziehen sie aus Gründen der Qualität aus Deutschland. Sie verwenden vorwiegend die Sorten «Bluecrop» und «Duke», die mit ihren grossen Beeren den Anspruch der Abnehmer besser erfüllten. Diese bezahlten für die Heidelbeeren stabile Preise, so Brupacher. «Das ist ein grosser Vorteil.»
Krankheiten und ein exotischer Schädling
Lange galten die Beeren zumindest in der Schweiz in Sachen Pflanzenschutz als unproblematisch. Doch diese Zeiten sind vorbei: Pilzkrankheiten wie Anthraknose oder Botrytis kommen immer häufiger vor. Dazu kommen lästige Schädlinge wie Schildläuse, Triebspitzengallmücke, Frostspanner und Dickmaulrüssler. Im letzten Jahr tauchte zudem die eingeschleppte exotische Kirschessigfliege erstmals im Tessin in Heidelbeerkulturen auf und richtete dort grosse Schäden an. Und auch Vögel und Mäuse haben die Heidelbeer-Plantagen für sich entdeckt. Heidelbeerproduzenten die diese Probleme im Griff haben, können drei bis fünf Kilogramm Heidelbeeren pro Pflanze ernten oder bis zu zehn Tonnen pro Hektare.
Unsichere Preisentwicklung
Trotz steigender Nachfrage und stabilen Preisen dämpfen Experten bereits die aufkommende Heidelbeer-Euphorie. Der Handel setzt auf Heidelbeeren, weil sie länger haltbar sind als beispielsweise Himbeeren. Und mit durchschnittlich zehn Franken pro Kilogramm bezahlt er den einheimischen Produzenten zurzeit noch einen anständigen Preis, der die Kosten zu decken vermag. «Niemand weiss aber, wie sich die Abnehmer künftig verhalten werden», sagt der Heidelbeer-Experte Res Schilling von ökohum gmbh. Das Risiko eines Preiseinbruchs für Schweizer Heidelbeeren sei erheblich. Ein Problem: Die blauen Beeren profitieren nicht von einem Grenzschutz. Sie stehen also in direkter Konkurrenz zu den ausländischen Heidelbeeren.Und der Blick über die Grenzen zeigt weltweit schwindelerregende Zuwachsraten bei den Anbauflächen. Das amerikanische Highbush Blueberry Council schätzt, dass die Welt-Produktion im Jahr 2015 auf über 600’000 Tonnen ansteigen wird, 2005 waren es noch 180’000 Tonnen. In Europa stiegen die Heidelbeer-Anbauflächen von 1600 ha im Jahr 1995 auf über 8000 ha im Jahr 2010. Über 3000 ha davon stehen im Billiglohnland Polen. «Diese Zahlen sollten potenzielle Neueinsteiger in der Schweiz vor Augen haben», sagt Schilling.
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