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Huhn anstatt BWM leasen

Bei Biobauer Fritz Graf legt ein Teil der Hühner die Eier im Auftrag von Leasingnehmern. Diese müssen die Eier auf dem Bauernhof abholen, damit sie den direkten Kontakt zu den Hühnern nicht verlieren.

Fritz Graf kennt sich mit Leasing-Verträgen aus. Im Unterschied zu üblichen Leasingnehmern landen seine Vertragspartner aber kaum auf der Schuldenberatungsstelle. Denn Graf ist nicht Garagist oder Elektronikgerätehändler sondern Bauer. Für nur gerade 14 Franken im Monat kann man bei ihm ein Huhn leasen. Ein eigener Hühnerstall ist dafür aber nicht nötig. Im Unterschied zum traditionellen Leasinggeschäft überlässt er dem Leasingnehmer nämlich nicht das Produkt, sondern dessen Erzeugnisse, die Eier. 20 Eier pro Monat stehen diesem vertraglich zu. Bezahlt wird im Voraus. Zurzeit laufen 25 Verträge, die mindestens ein halbes Jahr dauern. Darin steht unter anderem, was passiert, wenn der Hühnervogel zuschlägt oder ein Huhn vom Fuchs geschnappt wird. «Dann wird der Vertrag automatisch auf ein neues Huhn übertragen», sagt Graf. Das gleiche passiert, wenn das Huhn seinen Legepflichten altershalber nicht mehr nachkommen kann. Die Kündigung des Hühnerleasing-Vertrags behandelt Graf im Vergleich zu «normalen» Leasinggeschäften denkbar unkompliziert: «Wenn jemand nicht mehr mitmachen möchte, bezahlt er einfach die Rechnung nicht mehr.»

Emotionale Bindung erwünscht

Neben der materiellen Seite stehen bei seinem Angebot vor allem ideologische Überlegungen im Vordergrund. «Den Leuten muss heute gezeigt werden, dass das wandernde Huhn aus der Migros-Werbung nichts mit der Realität zu tun hat.» Mit ihrem Engagement ermöglichten die Leasingnehmer einem Huhn ein Leben in tier- und umweltfreundlicher Umgebung, sagt der Biobauer. Zudem könne eine emotionale Beziehung aufgebaut werden. Die Tiere tragen deshalb immer einen Namen, der im Vertrag aufgeführt ist. Besonders beliebte Namen seien Berta, Emma, Frieda oder Sofie, etwa originellere Varianten Karamelköpfli oder Vanilla. Die Leasingnehmer können ihr Huhn jederzeit auf dem Nackhof besuchen. Dort erkennen sie es eindeutig an der Kombination der farbigen Ringe am Fuss. Dass das Ei gerade von der geleasten Emma kommt, kann Graf dem Kunden aber nicht garantieren. Dafür wäre Einzelhaltung nötig, was in der Schweiz verboten und natürlich auch nicht im Sinne einer artgerechten Haltung wäre. In der biologischen Hühnerhaltung ist der Auslauf auf einer Wiese in der Gruppe sowieso vorgeschrieben. Zudem krähen auf dem idyllisch gelegenen Biobauernhof auch noch ein paar Hähne, sonst eher ein unübliches Bild in der Schweizer Landwirtschaft.

Leute sollen ihre Hühner besuchen

«Ki-ki-ki-ki» ruft der Sperber aus dem nahen Wald. Für die Hühner bedeutet das «Alarmstufe eins» und löst blitzartig eine Fluchtbewegung in Richtung Stall aus. Die Weiden für die beiden voneinander getrennten Gruppen à 50 Tiere sind in wenigen Sekunden geräumt. Graf schaut interessiert zu: «Hühner sind unglaublich intelligente Tiere.» Er wünschte sich eigentlich, dass sich die Leute mehr Zeit nehmen würden, um die Tiere zu beobachten. Gerade Kinder und Familien möchte er deshalb noch mehr mit dem Leasing-Angebot ansprechen. «Doch mit den Kindern hat es noch nicht so richtig funktioniert.» Zurzeit würden vor allem Verträge mit Leuten laufen, die das Ganze einfach eine gute Sache fänden und wissen wollten, woher ihre Eier kommen. Ihre vertraglich zugesicherten zwanzig Eier müssen sie persönlich abholen. Graf führt zu diesem Zweck eine genaue Buchhaltung. Der Vertrag schliesst den Versand bewusst aus. Denn Graf will die Leute zu sich auf den Hof im Suhrental holen. «Ich möchte, dass die Leute sehen, wie auf meinem Biobauernhof gearbeitet wird». Natürlich sollen sie auch den Hofladen besuchen. Graf lebt von der Direktvermarktung. Auf seinem sieben Hektaren Flächen umfassenden Grünland-Betrieb leben ausser den Hühnern auch ein paar Hochlandrinder, dessen Fleisch er in Mischpaketen verkauft oder zu Hamburger, Mostbröckli oder Hauswürsten verarbeitet. In der Obstanlage wachsen Birnen, Äpfel und andere Früchte für den Direktverkauf.

Idee aus Jux entstanden

Entstanden ist die Idee des Hühnerleasings vor zwölf Jahren mehr aus Jux. «Alles sprach damals von Leasing», sagt Graf. Spontan entstand so zusammen mit einem Arbeitskollegen die Idee, das Ganze auf Hühner zu übertragen. Schliesslich hatte der Landwirtschafts-Quereinsteiger damals zusammen mit seiner Frau gerade den Bauernhof gekauft. Der Kollege war sein erster Kunde. Heute zähle dieser zwar nicht mehr zu seinen Leasingnehmern, die Kundenbeziehungen seien aber trotzdem dauerhaft: «Der treuste Kunde ist seit zehn Jahren dabei.» Nicht alle kämen aber regelmässig vorbei und nach zwei Jahren verfalle der Anspruch auf die Eier.

Patenschaften für Internetgesellschaft

Als Alternative zum Leasing besteht die Möglichkeit der Übernahme einer Hühner-Patenschaft. Für 49 Franken dauert diese ein halbes Jahr. Lebenslänglich kostet sie 249 Franken. Auf dem Nackhof darf das Patenhuhn in diesem Fall bis zum letzten Gackern auf der Weide herumscharen, selbst wenn es längstens keine Eier mehr legt. Bei Patenschaften besteht ein Anspruch auf 60 Eier pro halbes Jahr, der ebenfalls vor Ort eingelöst werden muss. «Längst nicht alle machen Gebrauch davon», sagt Graf. Das Angebot richtet sich eher an die virtuelle Kundschaft. Denn die Hühner-Patenschaften sind die Folge eines vor ein paar Jahren in einem Deutschen Magazin erschienenen Kurzbeitrags über das Hühnerleasing auf dem Nackhof. Damals staunte Graf nicht schlecht: «Meine Mailbox füllte sich innert kurzer Zeit mit Interessenten aus Deutschland.» Da deren Anfahrt auf den Nackhof zum Abholen der Eier natürlich viel zu lange gedauert hätte, ermöglichte er dieser Kundschaft anstatt eines Leasings den Abschluss einer Patenschaft. Insgesamt 25 sind es aktuell. Die Internetgesellschaft ist zufrieden, wenn an ihrem Kühlschrank der Patenschaftsvertrag mit dem Bild «ihres» Huhns hängt, ohne dieses je real gesehen zu haben. Vielen Paten geht es vor allem um das gute Gefühl. Graf wundert sich aber immer wieder, dass es selbst bei diesem Angebot Leute gibt, die jedes Jahr einmal aus Deutschland anreisen, um zu sehen, wie es ihrem Patenhuhn geht.

www.nackhof.ch

Veröffentlicht in Blog

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