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Grenzzonen-Knatsch führt zum Eklat

dv

Wo hört die Schweizer Grenze wirklich auf, wenn es um die Gemüseproduktion geht? Die VSGP-Delegierten entschieden sich für die harte Linie was die Nutzung der Marke Suisse Garantie anbetrifft. Das letzte Wort ist aber trotzdem noch nicht gesprochen.

Delegiertenversammlungen sind in der Regel eine eher langweilige Angelegenheit. Nicht so beim Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP). Nach den sehr emotional geführten Diskussionen über eine Verbandsmitgliedschaft der bioGemüseproduzenten Vereinigung an der letztjährigen Versammlung folgte nun eine noch heftiger geführte Debatte über die Nutzung der Garantiemarke Suisse Garantie in den sogenannten Grenzzonen. Sie endete mit einem Eklat.
In seiner Eröffnungsrede im Stade de Suisse in Bern blickte VSGP-Präsident Hannes Germann auf sein vergangenes Jahr als Ständeratspräsident zurück. Dabei habe er den Ständeratsausflug für einen Besuch in den Gewächshäusern der Stoll Frères in Yverdon-les-Bains genutzt. «Es ist wichtig, in der Politik Verständnis dafür zu wecken, was die Gemüseproduzenten wirklich leisten», sagte er. Germann wies auf für die Branche wichtige politische Geschäfte hin, wie die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder die Revision des Raumplanungsgesetzes. Er unterliess es einmal mehr nicht, auf die nötige Solidarität zwischen den Gemüseproduzenten hinzuweisen. Genau diese wurde am Nachmittag aber auf eine harte Probe gestellt.
Der VSGP-Präsident führte vorerst zügig durch die Traktandenliste. Pascal Toffel stellte das Tätigkeitsprogramm des Verbandes vor. Die beiden Biogemüseproduzenten Kuno Werren und Walter Pfister wurden als Direktmitglieder in den Verband aufgenommen. Und die 134 anwesenden Delegierten stimmten einer Erhöhung der Marketingbeiträge um 10 Prozent zu.

Scharfe und abgeschwächte Variante

Unter dem Traktandum «Anträge» war es dann aber vorbei mit der Einigkeit. Die Gemüseproduzenten-Vereinigung des Kantons Zürich (GVZ) stellte zwei Anträge zur Verwendung der Garantiemarke Suisse Garantie (SGA) beim Gemüse. Antrag 1 verlangte, dass SGA nur noch auf Gemüse stehen darf, wenn dieses in der Schweiz oder in Liechtenstein produziert worden ist. Bisher durften auch Betriebe in den sogenannten Grenzzonen in einer Distanz bis zu 10 km zur Grenze ausserhalb der Schweiz SGA verwenden. Vom Antrag direkt betroffen waren rund 300 Hektaren Gemüse, davon 100 in der Region Genf. Der etwas abgeschwächte Antrag 2 sollte die Verwendung von SGA auf angestammte Gebiete beschränken (Stand per 1.5.1984), die seit Jahrzehnten im grenznahen Raum Gemüse anbauen, was rund 50 Hektaren Fläche entspricht.
Der VSGP empfahl der Versammlung dem Antrag 2 zuzustimmen. VSGP-Direktor Toffel wies darauf hin, dass die Agrarmarketing Suisse (AMS) als Besitzerin der Marke SGA für alle Branchen die gleiche Regelung anstrebe, was Swissness betreffe. Der VSGP hatte im November 2013 bei AMS bereits einen Antrag gestellt, der dem Antrag 2 entsprach. Die AMS wolle aber erst entscheiden, wenn der Bundesrat die Swissness-Verordnung verabschiedet habe, sagte Toffel. Die AMS ihrerseits erkenne in der Herkunftsgebiets-Frage zwar durchaus ein Konfliktpotenzial im Zusammenhang mit Swissness, so Toffel. Doch andere Branchen wie die Geflügel oder Fleischbranche hätten hier im Zusammenhang mit den Futtermittelimporten eigentlich ein grösseres Problem. In der Vernehmlassung zur Verordnung habe der VSGP in seiner Stellungnahme die gleiche Haltung wie in Antrag 2 eingenommen.

Was ist Suisse Garantie?

GVZ-Präsident Walter Leuzinger begründete die Anträge in seinem Votum damit, dass die Konsumenten nicht verstehen würden, dass im Ausland produziertes Gemüse mit SGA ausgezeichnet werde. «Für unsere Branche wäre es ein immenser Schaden, wenn die Marke SGA von den Medien zerzaust würde.» Die Anträge würden nicht den Anbau in diesen Gebieten verbieten sondern nur die Verwendung der Marke. Für Hans Bürki als Vertreter der Sektion beider Basel und der betroffenen Betriebe war klar, dass hier vor allem grosse Betriebe versuchten, Marktanteile zu gewinnen, auf Kosten von grenznahen Betrieben, die seit Jahrzehnten für den Schweizer Markt Gemüse anbauten. Für Schweizer Konsumenten sei das überhaupt kein Problem. «Selbst die Zustimmung zum Antrag 2 wäre für unsere Betriebe aber nicht verkraftbar», sagte er. Die Anträge seien geprägt durch Neid und Missgunst und seien vor allem eine Zwängerei.

«Selbst die Zustimmung zum Antrag 2 wäre für unsere Betriebe nicht verkraftbar.»
Hans Bürgi, VSGP-Sektion BS/BL

Jacques Blondin, als Vertreter der Genfer Sektion wählte eine ähnlich scharfe Tonalität. Solche Anträge zu stellen, bevor der Inhalt der Swissness-Verordnung bekannt ist, sei unverständlich. «Der Antrag ist ein direkter Angriff gegen die Genfer Produzenten», sagte er. Wenn die Versammlung diesem Antrag zustimme, würden sich die 33 anwesenden Genfer Produzenten fragen, ob sie beim VSGP noch am richtigen Ort seien. Der ebenfalls direkt betroffene Bioproduzent Christian Rathgeb gab zu bedenken, dass es grundsätzlich schwierig sei, 100 Prozent Schweiz in einem Produkt zu haben. Schliesslich kämen auch viele Hilfsstoffe aus dem Ausland. Rathgeb war der Meinung, dass zuerst der Swissness-Entscheid des Bundesrates abgewartet werden sollte. Er warnte zudem davor, die SGA-Marke zu schwächen, wenn diese in grossen Gebieten durch regionale Labels ersetzt würde.

Genfer verliessen den Saal

Doch die Meinungen waren gemacht. Beide Anträge wurden in der geheim durchgeführten Abstimmung angenommen. Der strengere Antrag 1 wurde mit 70 Ja gegen 57 Nein (fünf leer) angenommen. Der zweite Antrag wurde mit 78 Ja zu 45 Nein (neun leer) ebenfalls angenommen. In der Stichfrage obsiegte schliesslich der strenge Antrag 1 mit 64 zu 41 Stimmen bei 27 Leerstimmen. Nach der Bekanntgabe des Resultates erhoben sich die Genfer Produzenten und verliessen die Versammlung aus Protest.
Das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit allerdings noch nicht gesprochen. Der Leitendene Ausschuss des VSGP ist für die Umsetzung des Entscheides zuständig. Und entscheiden muss letztlich sowieso die AMS als Inhaberin der Dachmarke. Deren Präsident, Urs Schneider, sagte gegenüber dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst LID, dass man mit einer allfälligen Änderung abwarten werde, bis klar sei, wie der Bundesrat die Grenzzonen in der Swissness-Verordnung definiere. Als privatrechtliche Dachmarke könne man zwar abweichende Bestimmungen festschreiben. Man erwäge aber, sich an die staatlichen Swissness-Bestimmungen anzulehnen. Es sei jedoch noch kein Entscheid gefallen. Doch klar ist: Der Entscheid der VSGP-Delegierten ist ein schlechtes Signal für die immer wieder beschworene Solidarität innerhalb der Gemüslerfamilie.

Agroscope-Standorte sollen bleiben

Als Referent zum Thema «Spezialfall Gemüsebau: Passen marktorientierte Unternehmen in die Landwirtschaft?» war der Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) eingeladen. Bernard Lehmann hatte in der gedrückten Stimmung allerdings einen relativ schweren Stand. Lehmanns Fazit war: Für das BLW sind marktorientierte, dynamische Unternehmen auch in der Landwirtschaft sehr erwünscht, um eine erfolgreiche Land- und Ernährungswirtschaft zu haben. Auf eine Frage aus dem Publikum liess sich der BLW-Direktor zudem zur Aussage verleiten, dass keine Agroscope-Standorte geschlossen würden.
Der Ort der nächsten Delegiertenversammlung ist noch nicht bekannt. Eigentlich wollte die Genfer Sektion den Anlass durchführen, diese zog das Angebot aber nach dem DV-Entscheid zurück.

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