An der «Costa del Plastico» in Almeria stehen 30 000 Hektaren Plastikgewächshäuser. Die Betriebe sind relativ klein und profitieren vom tiefen Lohnniveau. Ein Problem ist das Wasser, denn das Gebiet liegt in einer Halbwüste.
Wenn der Markt gerade noch 10 Eurocent für ein Kilogramm Gurken hergibt, dann liegt der Preis selbst für die spanische Gemüseproduzentin Lola Gomez unter der Grenze des Zumutbaren. «Wir mussten im letzten Herbst die ganze Produktion zerstören, denn um etwas zu verdienen brauchen wir mindestens 21 Eurocent pro Kilogramm», sagt die Geschäftsführerin des Gemüsebaubetriebes Clisol in El Ejido. Wie ihre anderen rund 15 000 Berufskollegen in der Region Almeria baut sie in Plastikhäusern Gurken, Peperoni, Tomaten, Auberginen, Zucchetti und Melonen an. Über 30 000 Hektaren der halbwüstenartigen Landschaft verschwinden so unter Plastik. Dieser schützt die Kulturen in erster Linie vor dem starken Wind, der in dieser Gegend oft bläst. Im Volksmund wird die Gegend bezeichnenderweise auch «Costa del Plastico» genannt. Im Sommer, wenn es heiss wird, müssen die Plastikflächen mit Kalk bestrichen werden, damit das Gewächshaus nicht zum Backofen wird.
Gemüseproduktion auf Sand
Die Gurken stehen im Gewächshaus direkt im Sand, ein paar Zentimeter darunter liegt eine Mistschicht. Die Tropfenbewässerung benötigt jährlich zwischen 500 und 700 Liter Wasser pro m2 zu einem Preis von 25 Eurocent pro m3. Wasser dürfte in Zukunft aber teurer werden, denn es ist in der Gegend knapp. Der eigene Brunnen von früher sei längstens versiegt. «Heute kommt das Wasser aus einem gemeinsamen Brunnen, der sich das Wasser in einer Tiefe von 700 Meter holt», sagt Lola Gomez. Doch nicht nur die Gemüsekulturen streiten sich um das wertvolle Nass: Die Touristenressorts mit ihren Golfplätzen benötigen immer mehr Wasser. «Es wird mehr verbraucht als nachkommt», sagt die Gemüseproduzentin nachdenklich. Und das in einer Region, die von der Natur eigentlich als Wüste vorgesehen ist.
Nachhaltiger ist die Produktion mittlerweile, was die Verwendung von Pestiziden und Insektiziden anbetrifft. In den letzten Jahren haben die Nützlinge Einzug in die spanischen Gewächshäuser gehalten. Lola Gomez bezeichnet sich in diesem Bereich gar als Vorreiterin: «Die gleichen Firmen, die uns früher die Spritzmittel lieferten, versorgen uns heute mit Tierchen». Diese fliegen also auch im anderen, moderneren Plastikhaus des Betriebes, in dem gerade Peperoni in Hors-sol-Kulturen für die Wintersaison in ganz Europa heranwachsen. Und dort hat die spanische Produktion mittlerweile wieder einen deutlich besseren Ruf, was die Pestizid-Rückstände anbetrifft. Nicht so bei den Arbeitskräften. Noch immer hängen die Bilder von verarmten afrikanischen Tagelöhnern nach, die in slumartigen Behausungen leben. Lola Gomez reagiert gereizt auf die Frage nach der Entlöhnung der Arbeitskräfte. 5 Euro Lohn erhielten ihre Arbeiter pro Stunde. Diese kämen vor allem aus östlichen Ländern wie Rumänien, Polen oder der Ukraine. Es laufe in einem geregelten Rahmen ab mit Sozialleistungen und allem, was dazu gehöre. Doch natürlich sei die Nähe zu Marokko ein Problem, von wo aus immer wieder Immigranten über das Meer kämen und verzweifelt nach Arbeit suchten, so Lola Gomez. Trotzdem sei Schwarzarbeit kein grosses Thema in der Region. Noch grössere Sorgen bereiten ihr sowieso die Tomaten, die in Marokko wachsen und für 50 Eurocent pro Kilogramm zum Endverbraucher gelangten. Sie beschwert sich insbesondere über ungleiche Bedingungen was die Kontrolle anbetrifft. Ganz zu schweigen natürlich von den noch einmal deutlich tieferen Löhnen auf der gegenüberliegenden Seite des Mittelmeers.
Den schlechten Ruf korrigieren
Seine Produkte liefert der Vorzeigebetrieb Clisol ein paar Kilometer weiter zur Kooperative Agroiris. In dieser sind rund 450 Produzenten zusammengeschlossen. In der grossen Halle stehen gigantische Verpackungsanlagen in denen jährlich über 40 Millionen Kilogramm Peperoni oder 15 Millionen Kilogramm Gurken für den Transport in über 25 Ländern bereitgestellt werden. Am folgenden Tag wird die Produktion aber ausnahmsweise still stehen: Die Produzenten haben wie viele anderen spanischen Bauern genug von den tiefen Preisen und wollen mit einem landesweiten Streik ihre Sorgen zum Ausdruck bringen.
Neben dem Plastik fällt auf dem Betrieb Clisol vor allem ein Gewächshaus aus Glas auf. Und das hat Seltenheitswert in der Gegend. Es dient bezeichnenderweise nicht als Produktionsstätte sondern nur für PR-Zwecke. Lola Gomez hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung über die Produktionsmethoden in Almeria zu informieren. Und zu zeigen, dass die Bilder, die im übrigen Europa von der «Costa del Plastico» vorherrschen, überholt sind. Sie führt regelmässig Besuchergruppen aus dem In- und Ausland durch die Gewächshäuser. Sie hat sogar ein Kinderbuch über die Gewächshausproduktion geschrieben, das mittlerweile in drei Sprachen zum Verkauf aufliegt.
Produktions-Karussell für Hors-sol-Lattich
Ähnlich wie einst beim Auszug der Israeliten aus Ägypten als sich das rote Meer öffnete, führt die Reise weiter über die Autobahn durch das breite Plastikmeer von Almeria in die Region Pulpi. Vorbei an Feldern mit Eisberg, Eichblatt und Lollo, die dort in der Winterzeit für die Märkte im Norden wachsen. Die Parzellen sind überraschend klein. Arbeiterinnen und Arbeiter stehen auf den Feldern. Sie ernten und verladen von Hand. Auch das deutet darauf hin, dass der Faktor Arbeit in Spanien billig ist.
Die Firma Primaflor in Pulpi bewirtschaftet rund 4 000 Hektaren Gemüseflächen. In der modernen Verarbeitungshalle wird ein Teil der Produktion geschnitten und in Plastikbeutel verpackt. Die Arbeiter tragen Mundschutz und Handschuhe. Für die Besucher ist aus Gründen der Hygiene nur der Blick durch eine beschlagene Scheibe möglich. Ein paar hundert Meter entfernt betreibt der ehemalige Patron von Primaflor sein eigenes Projekt. Seine Vision: Der erdelose Anbau von Lattich, Sellerie, Salaten und vielem mehr. Die Vorteile: Kein Dreck und mehr Effizienz. Eine Anlage läuft bereits kommerziell. Wer hier nicht aufpasst, der schlägt sich den Kopf an einer Reihe mit Hors-sol-Lattich an, die gerade vollautomatisch die Seite wechselt. Wie ein Karussell dreht sich der Lattich im Kreis. Am Anfang steht der Setzling. Er geht auf eine vier wöchige Reise durch die Anlage: Ist die Pflanze am Ausgangspunkt angekommen, ist sie erntereif.
Die Hightech-Anlage wurde von der EU zur Hälfte finanziert; aus einem Pot zur Unterstützung für besonders innovative und umweltfreundliche Anbaumethoden. Sonst hätte so ein Projekt wohl kaum Chancen, in die Tat umgesetzt zu werden. Denn vorläufig ist in Spanien immer noch vor allem günstige Handarbeit angesagt.
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