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Gemüsebau in Argentinien: Bolivianer wissen wie es geht

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Dank seinen verschiedenen Klimazonen ist Argentinien ideal für den Gemüseanbau. Doch die Gemüseproduzenten spüren die schlechte Wirtschaftslage. Der Mechanisierungsgrad ist gering und Arbeitskräfte sind rar.

Normalerweise verlangt der Händler auf dem Grossmarkt Procosud in Mar del Plata für 12 Kilogramm Paprika 60 Pesos, was umgerechnet rund 9 Franken entspricht. «Wegen einer Kältewelle im Norden des Landes sind es nun aber 130 Pesos.» Auch bei den Tomaten haben sich die Preise wegen der Ernteausfälle verdoppelt. Eine in Argentinien häufig verwendete runde Zucchetti-Art kostet an diesem Tag Ende August sogar das Zehnfache. Solche Preisschwankungen sind in Argentinien nicht unüblich. Das Ernteausfallrisiko in den Gewächshäusern mit Heizungen zu reduzieren sei viel zu teuer, erklärt der Händler. Doch auch so lässt sich das Angebot auf dem zweitgrössten Früchte- und Gemüsegrossmarkt des Landes an diesem Tag sehen: Argentinien kann sich dank den verschiedenen Klimazonen ganzjährig mit eigenem Gemüse versorgen. Rund acht Millionen Tonnen Gemüse produziert das Land pro Jahr. Neunzig Prozent davon geht auf den Inlandmarkt. Exportiert werden vor allem Zwiebeln und Knoblauch. Nach China ist Argentinien der zweitgrösste Knoblauchexporteur der Welt. Allerdings haben die Knoblauch-Flächen im letzten Jahr deutlich abgenommen, unter anderem als Folge des ungünstigen Wechselkurses.

Bolivianische Erfolgsgeschichte

Ein paar Kilometer vom Grossmarkt entfernt baut Pedro Aleman auf 25 Hektaren Fläche Gemüse an, die er sich aus dem langjährig erarbeiteten Geld gekauft hat. Vor 30 Jahren kamen er und seine Frau Edit mit nichts aus Bolivien nach Argentinien. Vor 60 Jahren waren es vor allem Italiener und Spanier, die argentinisches Gemüse anbauten. Heute sind es die Bolivianer. Die Argentinier seien sich zu Schade für die harte Arbeit auf dem Feld, sagt uns der einheimische Anbauberater Mario Nejamkin. Aleman zählt zu den grösseren Gemüseproduzenten in der Anbauregion Mar del Plata. Die Mechanisierung ist hier gering, bolivianische Erntehelfer verdienen um die 150 Pesos pro Tag. Wegen der hohen Inflationsrate ist die Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften aber zunehmend schwierig. Rund zwei Hektaren Gemüse baut Aleman in Gewächshäusern an. In Argentinien sind das üblicherweise Holzkonstruktionen mit Plastikfolien. «Die vier bis fünf Meter hohen Palmholzstämme kommen aus den tropischen Gebieten im Norden und sind äusserst stabil», sagt Nejamkin. Zurzeit wachsen Salate, Kefen, Sellerie und Randen in den Gewächshäusern von Aleman. Im September wenn in Argentinien der Frühling beginnt, gehe es los mit dem Auspflanzen der Tomaten, Auberginen und Paprika, sagt er. Den Boden desinfiziert er zuvor mit Methylbromid, eine Methode, die in der Schweiz schon lange verboten ist. Grundsätzlich scheinen die Regelungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich unter den westeuropäischen Kriterien zu liegen. Dazu passt übrigens auch die in der Gemüsebranche hier weitverbreitete Schwarzarbeit. Im Freiland baut Aleman neben Salaten Kulturen wie Radieschen, Spinat, Krautstiel oder Kohl an. In der Haupterntezeit im Sommer arbeiten bei ihm zwanzig Leute. Er wolle in den nächsten Jahren auf seinem Betrieb weiter in die Automatisierung investieren, sagt er. Denn die Arbeitskräfte kosten zum einen Geld, andererseits  sei es immer schwieriger, überhaupt noch zuverlässige Arbeitskräfte zu finden.

hekctorHühnermist im Winter

Nicht weit weg von den Alemans bewirtschaftet der Gemüsegärtner Hector eine Fläche von vier Hektaren. Auch er wanderte einst mit seinen Eltern aus dem Norden Argentiniens an der Grenze zu Bolivien ein. Den Anbau von Gemüse lernte er bei ihnen. Eine eigentliche praktische Ausbildung gibt es nicht. Während der Saison arbeiten zwei Leute bei ihm.
Auf einem Teil seiner Anbauflächen weiden gerade ein paar Schweine die Kulturresten ab. «Sie durchwühlen den Boden nach Knollen, aus denen sonst Unkraut wächst», sagt er. Gleich nebenan steht eine neu konstruierte Anlage für Kefen mit Bewässerung. Hector arbeitet in einem staatlichen Programm mit, das Kleinproduzenten beim Anbau und der direkten Vermarktung von Gemüse unterstützt. Die Zwischenhändler würden sehr schlechte Preise bezahlen, sagt er. In seinem kleinen Gewächshaus wachsen zurzeit Spinat, Lauch und Randen. Die selbst gezogenen Paprika- und Tomatensetzlinge stehen bereit. Hector profitiert dank der Teilnahme am Programm erstmals vom Wissen von Spezialisten. Zum Beispiel bei der Bekämpfung von Trips. Bisher habe er immer breitwirkende Pflanzenschutzmittel verwendet, weil diese viel günstiger seien. Heute verwendet er weniger giftige, spezifisch wirkende Mittel. «Von diesen versprühe ich nun deutlich weniger.» Der höhere Preis pro Liter gleiche sich dadurch aus.
Als Dünger bringt er im Herbst Hühnermist aus, das er von intensiv geführten Farmen in der Umgebung bezieht. Er bringt ihn bewusst vor dem Winter aus: «So bauen sich die Hormone und andere Schadstoffe aus dem Hühnermist im Boden ab.» Daran, dass die Nährstoffe ebenfalls im unbebauten Acker verschwinden könnten, denkt er aber nicht. Wie wäre es mit einer Zwischenkultur oder Gründüngung? So etwas kenne man hier nicht, antwortet er kokablätterkauend. Doch dann erinnert er sich plötzlich: «Ich glaube meine Eltern haben früher in der kalten Jahreszeit jeweils Grünhafer angebaut.»

Gemüsebau in Argentinien
Die argentinische Anbaufläche für Getreide, Ölfrüchte, Gemüse oder Obst beträgt insgesamt 35 Mio. Hektaren. Rund zwei Drittel der Fläche ist mit Soja bebaut (!). Die Anbaufläche für Gemüse (inklusiv Hülsenfrüchte) beträgt rund 500 000 ha. Je zur Hälfte wächst dort Frischgemüse und Bohnenartiges Gemüse (z.B. Bohnen, Kichererbsen, Linsen). Total ernten die argentinischen Gemüseproduzenten pro Jahr rund 8 Millionen Tonnen Gemüse. Rund 15 Prozent davon sind Tomaten.Nur etwa zehn Prozent der rund 14 000 ha Tomaten wachsen im geschützten Anbau, der Rest im Freiland. Am zweithäufigsten sind mit 9 Prozent der Gemüseernte (785000 t) Zwiebeln. Gefolgt von Kürbis (5 Prozent), Salaten (4 Prozent), Karotten (3 Prozent), Paprika (2 Prozent) und Knoblauch (2 Prozent). 90 Prozent der Gemüse-Produktion wird im Inland verkauft. Exportiert werden vor allem Zwiebeln (weltweit Nummer 6) und Knoblauch (weltweit Nummer 2).
Quelle: Mercado Central de Buenos Aires (2008)

 

 

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