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Futuristische Salate wachsen in Rinnen

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Erstmals baut ein Schweizer Gemüsegärtner im Furttal Salate in Hydrokulturen an. Damit spart er Wasser, Dünger und braucht praktisch keine Pflanzenschutzmittel mehr.

So sieht Diversifikation in Japan aus: Wo einst Halbleiter hergestellt wurden, wachsen heute Salate. Die billige Konkurrenz aus anderen asiatischen Ländern zwang Technologiekonzerne wie Panasonic oder Fujitsu zum Umdenken. Anstatt auf Smartphones oder Tablets setzen sie deshalb seit Neustem auch auf den Anbau von Gemüse und Kräutern. Panasonic produziert im Stadtstaat Singapur unter dem eigenen Label «Veggie Life» frische Salate für den lokalen Markt. Die Pflanzen wachsen dort in hermetisch abgeschlossenen Räumen, in Rinnen ohne Erde unter künstlichem Licht. Die Erntehelfer tragen sterile Anzüge. Pflanzenschutzmittel sind nicht nötig, weil Pilze und Bakterien unter diesen Bedingungen keine Chance haben.

Hydrokulturen neu auch in der Schweiz

In der Schweiz wachsen die Salate immer noch in der Erde. Doch die Natur ist für landwirtschaftliche Kulturen alles andere als eine Wohlfühlatmosphäre: Unkraut, Krankheiten, Pilze und immer öfter Wassermangel machen ihnen das Leben schwer. Zudem wird das Land knapp und das bei steigender Bevölkerungszahl. Obwohl wir von Verhältnissen wie in Singapur noch ein Stück entfernt sind, machen sich auch hiesige Gemüsegärtner Gedanken darüber, wie sie künftig mit den knapper werdenden Ressourcen umgehen sollen. Eine Möglichkeit lehnt sich an die beschriebenen asiatischen Vorbilder an. In Oftringen wurde im letzten Jahr ein neues Gewächshaus erstellt, in dem ab dem nächsten Frühling Salate als Hydrokultur – das heisst nur in Wasser – wachsen werden. Schon weiter sind die Gebrüder Markus und Fritz Meier in Dällikon ZH. Auch dort stehen seit letztem Herbst Plastikrinnen, in denen frische Salate wachsen. Vor Weihnachten wurde erstmals geerntet.

Nur noch ein Drittel Wasser

meier2So viel vorab: Im Gewächshaus in Dällikon leuchten keine künstlichen Lämpchen von der Decke und auch Schutzanzüge sind nicht nötig. Trotzdem betreten die Gemüsegärtner mit der Anlage in der Schweiz Neuland. Schon seit fünf Jahren spielten sie mit dem Gedanken, Salate in Hydrokulturen zu produzieren. Die Vorteile des bodenunabhängigen Systems waren für sie ausschlaggebend: Sieben Mal mehr Salate pro Jahr als auf einem normalen Salatfeld, 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel und nur noch ein Drittel der sonst benötigten Wassermenge. «Doch uns fehlten die Abnehmer von solchen Salaten», sagt Markus Meier. Das hat sich nun geändert. Coop startet im Frühling mit dem Verkauf von sogenannten Trio-Salaten aus den Rinnen in Dällikon. Dabei wachsen drei verschiedene Salatsorten in einem Presstopf aus einem Erdengemisch. Der Salat wird schlussendlich mit den Wurzelballen verkauft und ist deshalb länger haltbar. Solcher «living Salad» ist in anderen Ländern schon seit Längerem im Handel. Theoretisch könnte er sogar noch einmal im Garten gepflanzt werden.

Erste Salate an Weihnachten

Im Gewächshaus wurden vorerst zwei Abteile von je 130 Metern Länge und 12 Meter Breite mit dem Rinnensystem aus Belgien installiert. Noch sind die Brüder am Pröbeln mit verschiedenen Salatsorten. Vor den Rinnen mit dem roten Kopfsalat bleibt Markus Meier stehen: «Diese sehen für mich überraschend gut aus.» Ihm sei bisher niemand bekannt, der diesen Salat in Rinnen produziert. Sowieso sei es schwierig an Informationen zu kommen. «Die ausländischen Hydrokulturproduzenten, mit denen wir gesprochen haben, wollten ihre Geheimnisse nicht preisgeben.» Deshalb gehe es nun vorerst darum, herauszufinden, wie oft gewässert werden soll und wie gut sich die Kulturen je nach Jahreszeit und unterschiedlicher Lichtintensität entwickeln. Der Eichblattsalat hat sich auf jeden Fall schon einmal prächtig entwickelt. Er wurde vor Weihnachten ausgeliefert.

Effizientes Kreislaufsystem

meier3Und so funktioniert die Anlage: Die noch kleinen Salatsetzlinge werden jeweils am Anfang des Systems in die ersten Rinnen-Reihen gestellt. «Wir setzen immer so viele Salate, wie am anderen Ende der Anlage am gleichen Tag geerntet werden», erklärt Markus Meier. Die jungen Salate machen sich in den Rinnen dann auf eine je nach Jahreszeit 3 bis 8 wöchige Reise ans andere Ende des Gewächshauses. Jedes Mal wenn dort eine Rinne abgeerntet wird, bewegt sich das System hydraulisch eine Reihe vorwärts und am Anfang kann neu gesetzt werden. Die Abstände zwischen den Rinnen passen sich jeweils automatisch dem zunehmenden Volumen der Salate an. Die Anlage weist ein Gefälle von einem Prozent auf. So kann das Wasser mit dem Dünger in einem Kreislauf an den Wurzeln vorbeifliessen. Das gebrauchte Wasser wird in einem Kohlefilter aufbereitet und läuft anschliessend bevor es wieder in den Kreislauf geht noch durch einen UV-Filter, der die Keime zerstört. «Das Hydrokultur-System kommt mit sehr wenig Wasser aus», sagt Markus Meier. Und auch die Nährstoffversorgung sei äusserst effizient und sparsam, es werde nichts ausgewaschen. Pflanzenschutzmittel sind in der kontrollierten Atmosphäre kaum nötig. Ganz darauf verzichten wie in Japan kann man allerdings nicht, denn die Atmosphäre hier im Gewächshaus ist immer noch natürlich. Pilze könnten beispielsweise von den Kulturen in den anderen Teilen des Gewächshauses übergreifen. Doch eigentlich planen die Meiers sowieso, langfristig das ganze Gewächshaus mit Hydrokulturen besetzen. Vorerst wollen sie aber beobachten, wie sich das Ganze vom Absatz her entwickelt. «Es ist klar, dass wir hier nicht Kopfsalate für 60 Rappen das Stück produzieren können.» Die Investitionen waren beträchtlich, deshalb seien sie darauf angewiesen, dass sie die Ernte zu einem anständigen Preis verkaufen könnten. Beispielsweise mit einem speziellen Produkt wie dem Trio-Salat.

Vorläufig ohne Beleuchtung

meier4Rund 160 Salate pro Quadratmeter und Jahr sollen künftig in Dällikon geerntet werden. Das ist zwar im Vergleich zu reinen Bodenkulturen in der Schweiz viel. Trotzdem ernten Hydrokulturproduzenten in Belgien deutlich mehr Salate pro Jahr. «Mit einer künstlichen Beleuchtung kann man viel mehr aus dem System herausholen», sagt Markus Meier. Doch bei ihnen in Dällikon sei das nicht möglich, weil der Abnehmer Coop das nicht wollte. Das passe nicht zu den vom Grossverteiler verfolgten Nachhaltigkeitszielen. Doch Markus Meier verfolgt die Entwicklungen in der Beleuchtungstechnik trotzdem weiter: «Da passiert gerade sehr viel.» Und mit dem Einsatz von LED-Lampen sei das ganze auch ökologisch vertretbar. Überhaupt zeigen Studien, dass Hydrokulturen beträchtliche Vorteile gegenüber der konventionellen Gemüseproduktion aufweisen, weil sie mit weniger Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmitteln auskommen.

Trotzdem bestehen gewissen Unsicherheiten gegenüber dem Verhalten der Kundschaft. Gerade LED-Lämpchen, die Gewächshäuser zum Leuchten bringen, dürften nicht allen Leuten gefallen. Deshalb ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn auf diese vorerst verzichtet wird. «Zuerst müssen die Vorteile dieses Systems in der Bevölkerung bekannt gemacht werden», sagt Markus Meier. Am Endprodukt wird der Kunde sowieso keinen Unterschied merken. Markus Meier lacht: «Ausser dass der Salat frischer ist.» Für ihn ist klar, dass dieser Produktion die Zukunft gehört. Vor kurzem hatte er Besuch von einem norwegischen Berufskollegen. Dieser habe nur mit den Achseln gezuckt: «Er sagte mir, dass in seinem Land bereits heute deutlich mehr Salat in Rinnen als im Freiland angebaut werde.»

Weitere Informationen: Früherer Artikel zum Thema  /  Video auf Facebook

 

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