Die geforderte Umstellung auf fossilfreie Energieträger verlangt von den Schweizer Gewächshausbetrieben ein Kraftakt. Der Energieexperte Daniel Meier hilft ihnen dabei, passende und wirtschaftliche Lösungen zu finden.
In einigen Regionen wie hier im Berner Seeland schliessen sich Betriebe lokalen Wärmeverbunden an.
Der Umbau der Wärmeversorgung in Gewächshäusern von fossilen zu nicht-fossilen Energieträgern drängt vor allem für die Migros-Lieferanten: Wie weit ist die Branche?
Daniel Meier: Wir beraten rund 200 grosse und mittlere fossil beheizte Gewächshausbetriebe in der Schweiz, welche rund 300 Hektaren Fläche abdecken. Mindestens die Hälfte dieser Betriebe arbeitet zurzeit an Entscheidungsgrundlagen für Heizsysteme mit fossilfreien Energien. Bis Ende Jahr werden zwischen 15 bis 20 Prozent der Betriebe solche Lösungen installiert haben. Es ist aber unrealistisch, dass alle Migros-Lieferanten bis Ende 2025 zu 100 Prozent fossilfrei unterwegs sein werden.
Welche fossilfreien Energiesysteme kommen zum Einsatz?
Bei den 33 umgesetzten oder für 2023 und 2024 geplanten Projekten wurden 9 Wärmepumpen (ARA, Grundwasser und Luft), 9 Pelletsheizungen, 5 Holzschnitzelheizungen sowie 10 Anschlüsse an Wärmeverbunde als Lösungen für die fossilfreie Wärmeproduk-tion gewählt.
DM Energieberatung AG berät Gewächshausbetriebe bei der Installation von neuen, klimafreundlichen Heizungssystemen: Wie gehen Sie dabei vor?
Unsere Fachleute arbeiten hier mit der von uns entwickelten Dimensionierungs-Software ProCalor©. Anhand von Parametern wie beispielsweise dem Kulturbeginn, vorhandenem Energieschirm, Gewächshaushülle, Doppelfolie oder der vom Gewächshausproduzenten gewünschten Innentemperatur erstellen wir ein Stundenlastprofil. Bisher war es üblich, eine auf die Spitzenlast während wenigen Tagen ausgelegte Öl- oder Gasheizung zu installieren. Weil dies mit den fossilfreien Erzeugern und den dafür nötigen Wärmespeichern viel zu teuer wäre, muss man den Bedarf genau kennen, um hier die optimale Lösung simulieren zu können. Auf Wunsch integrieren wir auch PV-Anlagen in die Betrachtung. Schliesslich stellen wir mehrere Varianten einander gegenüber inklusiv Kostenvergleich, unterstützen den Kunden bei der Entscheidungsfindung und melden das favorisierte Projekt beim myclimate-Förderprogramm «Heizungsersatz in Gewächshäusern» an.
Eine grosse Herausforderung ist die erwähnte Abdeckung der Wärme-
Verbrauchsspitzen. Wie sehen hier die Lösungen aus?
Die meisten Lastspitzen können mit den neu zu installierenden Wärmespeichern abgedeckt werden. Es kann bei extremen oder lang andauernden Kälteperioden jedoch vorkommen, dass die Kapazität der Wärmespeicher nicht mehr ausreicht. Wo möglich empfehlen wir deshalb, die bestehenden fossilen Heizkessel noch nicht rückzubauen, sondern im Sinne einer «Energieversicherung» in Betrieb zu halten. Zudem zeigt sich, dass es eine zunehmende Akzeptanz in der Produktion gibt, für einige Stunden oder Tage auch tiefere Temperaturen als die normalerweise üblichen zu verwenden. Als die Energiepreise im letzten Jahr stark anstiegen, reduzierten einzelne Betriebe ihren Verbrauch um 50 Prozent oder mehr, und nahmen das Risiko eines langsameren Wachstums oder einer schlechterer Produktqualität in Kauf. Offenbar hat sich das nicht schlecht bewährt.
Welches sind die wirksamsten Massnahmen, um den Energieverbrauch im Gewächshaus zu senken?
Eine der wirtschaftlichsten Massnahmen ist die Nachrüstung eines Energieschirms oder die Nachrüstung eines zweiten Energieschirms. Damit lassen sich 20 bis 35 Prozent der Wärmeenergie eines Gewächshauses einsparen. Die Verzögerung des Kulturstarts oder das frühere Beenden der Kultur um ein bis zwei Wochen bringen ebenfalls grosse Einsparungen, jedoch sinkt dadurch natürlich auch der Ertrag. Ebenfalls grosse Einsparungen lassen sich durch die bereits erwähnte Absenkung der Temperatur im
Gewächshaus erreichen.
Luft-Wasser-Wärmepumpen gelten landläufig als weniger effizient als beispielsweise Grundwasser- oder Erdsonden-Wärmepumpen. Weshalb entscheiden sich Gemüsebaubetriebe trotzdem immer öfter für Luft-Wasser-Wärmepumpen?
In erster Linie aus Kostengründen. Grundwasser, Flusswasser oder eine Kläranlage sind zwar ideale Wärmequellen für Wärmepumpen, stehen als solche aber oft nicht zur Verfügung. Doch die vermeintlich ineffizienteren Luft-Wasser-Wärmepumpen werden immer leistungsfähiger. Bei der Jahresarbeitszahl – welche die Effizienz eines Heizsystems beschreibt – schneidet sie im Vergleich beispielsweise mit den für Gewächshäuser viel zu teuren Erdsonden auch energetisch nicht schlecht ab, insbesondere weil sie im warmen Sommer sehr effizient laufen.
Sie starten in diesem Herbst zwei Pilot-Projekte mit Gewächshaus-Betrieben, in welcher sie die Kombination von Photovoltaik (PV) und Wärmepumpen zur Wärmebereitstellung testen. Solarstrom wird aber vor allem im Sommer produziert, wenn der Wärmebedarf eher gering ist. Weshalb könnten solche Systeme trotzdem Sinn machen?
Gewächshausbetriebe benötigen auch im Sommer regelmässig einen Wärmeeintrag zu Trocknungszwecken. Übers Jahr gesehen stimmt es aber, dass die Gewächshäuser vor allem dann Wärme benötigen, wenn die Sonne nicht scheint. Mit einem Wärmespeicher kann dieses Problem teilweise gelöst werden, allerdings können diese Speicher aus Kosten- und Machbarkeitsgründen nicht unendlich gross dimensioniert werden. Mit den beiden Pilotprojekten möchten wir diesbezüglich Erfahrungen sammeln und unter anderem auch prüfen, ob und wie der überschüssige PV-Strom im Sommer anderweitig genutzt werden könnte, beispielsweise für den Eigenbedarf oder künftig auch für neue Anwendungen wie die Herstellung von Wasserstoff.
Photovoltaik-Module auf Gewächshäusern stehen beim Lichtbedarf in Konkurrenz zu den Gemüsekulturen. Wie kann man diesen Zielkonflikt lösen?
Darüber ist ebenfalls noch wenig bekannt. Im Rahmen der beiden Pilotprojekte arbeiten wir jedoch mit dem Schweizer Startup-Unternehmen Voltiris SA zusammen. Diese bietet innenliegende PV-Module an, welche nur den Lichtanteil zur Stromerzeugung nutzt, welcher nicht für das Pflanzenwachstum benötigt wird. Die Voltiris SA untersucht zurzeit in einem eigenen Projekt wie der Einfluss auf das Pflanzenwachstum ausfällt.
Daniel Meier ist Gründer und Eigentümer der Firma DM Energieberatung AG mit Sitz in Brugg und seit vielen Jahren als Energieberater in den Schweizer Gewächshäusern unterwegs. Mitarbeitende der DM Energieberatung AG (D-CH und I-CH) und der Weinmann-Energies SA (F-CH) beraten im Rahmen ihrer EnAW-Mandate rund 50 grosse und 150 mittlere bis kleinere Gewächshausbetriebe in der Schweiz. In den letzten 3 Jahren haben die DM Energieberatung AG und die RWB Fribourg SA für 90 Gewächshausbetriebe eine ProCalor-Variantenstudie durchgeführt mit dem Ziel, eine Empfehlung für die aus technischer und ökonomischer Sicht optimale fossilfreie Wärmeerzeugung erarbeiten zu können als Ersatz der bestehenden fossilen Wärmeerzeugung. www.dmeag.ch |
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