
Trotz kurzen Tagen und Minustemperaturen produzieren die finnischen Gemüsegärtner in den Gewächshäusern im Winter Gurken. Sie sind viel teurer als Importware,
werden aber von den finnischen Konsumenten trotzdem bevorzugt.
Finnische Sommer sind kurz, die Winter dafür umso länger, dazu kalt und dunkel. Im Januar gibt es gerade einmal vier Stunden Tageslicht. Ideale Anbaubedingungen für Gurken sehen anders aus. Das kümmert die finnischen Gemüsegärtner allerdings wenig. Sie produzieren in ihren Gewächshäusern sogar im tiefsten Winter Gurken und Tomaten. Der Staat unterstützt die Ganzjahresproduktion mit einem Beitrag von 9 Euro pro Quadratmeter, dazu kommen weitere EU-Subventionen. Die Eigenversorgungsraten sind mit 80 Prozent bei Gurken und 60 Prozent bei den Tomaten erstaunlich hoch. Finnen kaufen konsequent Ware aus einheimischer Produktion, auch wenn diese deutlich teurer ist als die Importware aus Spanien oder Holland. Die PR-Abteilungen der Anbauverbände haben hier offensichtlich ganze Arbeit geleistet: Das Image von finnischem Gemüse ist in der Bevölkerung extrem gut, die Unterstützung der regionalen Produktion ist entsprechend hoch. Das einheimische Gemüse gilt in Finnland als das Beste der Welt. Importierte Ware schneide in Rückstandsanalysen immer deutlich schlechter ab, sagt Tom Murmann, der vor seiner Pensionierung viele Jahre als Berater im Verband der Finnischen Gewächshausproduzenten tätig war. Aber nicht nur das: «Gerade bei Gurken ist die Frische entscheidend», sagt Tom Murmann. Finnland ist vom restlichen Europa weit entfernt, der Transport von spanischen Gurken dauert fünf Tage. Die aus dem finnischen Gewächshaus schaffen es in einem Tag.
20 Stunden Licht im Winter

Das Gurken-Gewächshaus von Tero Juntti in Piikkiö in der Nähe von Turku ist hell erleuchtet. Die Hilfe der Lampen zwischen und über den Kulturreihen ist nötig, denn der Lichteinfall von aussen ist während der meisten Zeit des Jahres zu gering. Im Winter liegt er nahe bei Null und die Aussentemperaturen bewegen sich im zweistelligen Minusbereich. Die Hochdruck-Natriumdampflampen brennen dann während 20 Stunden und sorgen dafür, dass der Markt auch im Winter zu rund 50 Prozent mit finnischen Gurken versorgt ist. Mit der abgestrahlten Wärme tragen die Lampen massgebend zur nötigen Innentemperatur von 25 Grad bei. Die Strompreise sind deshalb für die Kalkulation der Produktionskosten für den Gurkenanbauer viel entscheidender als die Gas- oder Ölpreise. Neben 70 Tonnen Flüssiggas – unter anderem für die CO2-Düngung –, braucht er jährlich 17 Millionen Kilowattstunden Strom für die Gewächshausfläche von 1,25 Hektaren. Wie Tero Juntti produziert rund die Hälfte aller finnischen Gurkenproduzenten ganzjährig. Die gesamte Gurken-Anbaufläche in Finnland beträgt 52 Hektaren.
Preisdruck auch in Finnland
Wegen den hohen Produktionskosten sind die finnischen Gurkenproduzenten auf entsprechende Abnahmepreise angewiesen. Doch diese straucheln gelegentlich auch hier: In diesem Sommer überstieg die Produktion trotz einem selbst für finnische Verhältnisse besonders trüben Sommer die Nachfrage. Die Kilogramm-Abnahmepreise sanken für Tero Juntti kurzfristig auf unter 60 Eurocent. Normalerweise liege er im Sommer bei bis zu 2 Euro. Im Winter beträgt der Preis aber in der Regel deutlich mehr als 2 Euro. «So viel brauchen wir mindestens, um die Produktionskosten zu decken», sagt Tero Juntti. Die Marge ist trotzdem immer noch gering: Einige seiner Kollegen sind daran gescheitert.
Der Gemüsegärtner pflanzt drei Mal jährlich neue Gurkenpflanzen an. Sie wachsen in diesem Jahr noch in einem Substrat aus einem Gemisch von Kokosfasern und Torf. Allerdings schleppte er über das Substrat eine unerwünschte Spinne ein. Künftig setzt er auch deshalb auf ein neues Gemisch aus Torf und Moos, das sich in Anbauversuchen bewährt habe.
Der Pflanzenschutz erfolgt primär integriert und mit Nützlingen. Die vornehmlich aus Vietnam stammenden Arbeiterinnen und Arbeiter ernten unter der Leitung des finnischen Vorarbeiters jährlich bis zu 200 Kilogramm Gurken pro Quadratmeter und Jahr bei Lichtleistungen von bis zu 350 Watt.
Wasserfälle sammeln Wärme ein

Neben den Lohnkosten – Der Mindestlohn liegt nach Angaben des Gewächshausproduzentenverbandes bei 8.50 Euro in der Stunde –, wirken sich vor allem die Energiekosten auf die Betriebsrechnung aus. Der Kilowattstundenpreis für Strom schwankt auch Jahreszeitenabhängig zwischen 5 und 8.5 Eurocent. Nicht nur aus ökologischen Gründen arbeitet die Branche deshalb an der Effizienz. Bei Tero Junnti beispielsweise plätschern mehrere künstliche Wasserfälle zwischen den Gurkenreihen. Dabei sammeln die Wassertropfen die von den Lampen abgestrahlte Wärme ein. Eine Wärmepumpe nutzt den Temperaturunterschied von vier Grad im Wasser und bringt sie als Heizenergie zurück ins Gewächshaus. «So kann ich über die Hälfte der Wärme erzeugen», sagt Tero Junnti. Viele Gurkenproduzenten experimentieren zudem mit LED-Lampen, die weniger Energie verbrauchen. Allerdings fehle es dann auch an Wärme. «Die Zukunft wird deshalb wohl in Hybridlösungen liegen», sagt Glashausexperte Tom Murmann.

Gurken wachsen in den finnischen Gewächshäusern bereits seit über zwanzig Jahren ganzjährig. In dieser Zeit wuchs die Produktion von 27 auf rund 40 Millionen Kilo pro Jahr. Der Energieverbrauch ist hoch: Im Jahr 2008 lag er nach Angaben des Verbandes bei durchschnittlich 15 Kilowattstunden pro Kilogramm Gewächshausgemüse, und besteht auch heute noch vornehmlich aus Elektrizität, die in Finnland zu je einem Drittel aus fossilen Energieträgern, Atomkraft sowie aus erneuerbaren Energien wie Wasserkraft gewonnen wird. Um den ökologischen Fussabdruck zu verbessern, hätten nach Angaben des Verbandes in den letzten Jahren viele Gewächshausproduzenten auf Holzschnitzelheizungen umgestellt. Das macht Sinn: Finnland besteht zu über 70 Prozent aus Wald, der jedes Jahr mehr Biomasse bildet als ihm entnommen wird.
Torf in der Heizung
Für Westeuropäer speziell ist zudem die Tatsache, dass in rund 15 Prozent der finnischen Gewächshäuser zur Wärmegewinnung immer noch Torf verbrannt wird. In Finnland führt man die bei uns kontrovers geführte Torfdiskussion relativ entspannt. Rund ein Drittel des Landes bestehe aus Sümpfen, die jährlich 40 Millionen Kubikmeter Torf neu bildeten, schreibt der finnische Agrarjournalist Tapani Koivunen. Weniger als ein Prozent der Torffläche werde jährlich geerntet und als Energieträger oder Pflanzmedium verwendet.
Tero Juntti verwendet Torf bei sich aber nur im Substrat. Den nächsten Jahren sieht er trotz Preisdruck zuversichtlich entgegen: «Wenn die Qualität stimmt, kaufen die Finnen weiterhin unsere etwas teureren Gurken!»
Zahlen zu Finnland |
Einwohnerzahl: 5,5 Mio. |
Durchschnittliche Temperaturen in Helsinki: 4.4 Grad (Frühling) / 16.3 Grad (Sommer) / 6.8 Grad (Herbst) / -3.4 Grad (Winter) |
Total Landwirtschaftsfläche (ohne Wald): 2,3 Mio. ha |
Gewächshausfläche (Gemüse und Blumen): 399 ha |
Gemüse im Freiland: ca. 10‘300 ha |
Tomaten (2015) pro Jahr: 39 Mio. kg |
Gurken (2015) pro Jahr 40 Mio. kg |
Karotten (2015) pro Jahr: 64 Mio. kg |
Zwiebeln (2015) pro Jahr: 27 Mio. kg |
Selbstversorgungsgrad (2015): Tomaten 60 % / Gurken 80 % / Karotten 90 % / Zwiebeln 66 % / Blumenkohl 82 % (2014) / Grüner Salat 95 % |
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