Immer weniger Mitarbeitende sind auf den Gemüsebaubetrieben bereit, sich wiederholende und schwere Arbeiten zu leisten. Exoskelette reduzieren die körperlichen Belastungen und erhöhen den Gesundheitsschutz. Der Arbeitsplatz wird damit attraktiver.
Alles lässt sich noch nicht automatisieren. In den Gemüsebaubetrieben ist deshalb immer noch viel Manpower gefragt. Einseitige Bewegungsabläufe, das Arbeiten in gebückter Haltung oder das Heben von Kisten belasten aber den Körper. Ergonomische Tipps zur Entlastung gibt es zwar. Beispielsweise den Rücken stets gerade halten oder beim Bücken in die Hocke gehen. Doch in der Hektik des Arbeitsalltags gehen diese schnell vergessen. Das passiert beim Tragen von Exoskeletten nicht. Die am Körper getragene Stützstruktur entlastet das Muskel-Skelett-System bei spezifischen Tätigkeiten. Dabei wird unterschieden zwischen aktiven und passiven Exoskeletten. Erstere funktionieren rein mechanisch, Zweitere sind mit Sensorik und Motoren ausgestattet. Die Exoskelette wurden einst vor allem für Warenlager und Paketverteilzentren zur Entlastung der Rücken der Mitarbeitenden entwickelt. Doch mittlerweile stehen die Geräte in vielen anderen Branchen im Einsatz, wo schwer getragen wird und es sich ständig wiederholende Arbeiten zu erledigen gibt. Dazu gehören auch die Garten- und Gemüsebaubetriebe.
Passive Variante entlastet den Rücken
Blumengärtner Daniel Berger aus Gurzelen BE nutzt seit zwei Jahren ein passives Exoskelett des deutschen Herstellers Ottobock. Er setzt es vor allem für Arbeiten in gebückter Haltung ein. Die Energie des Herunterbeugens wird im Gerät gespeichert, beim Anheben mit Gasdruckfedern wieder abgegeben und der Körper damit entlastet. Das Gewicht geht dabei vom Oberkörper auf die Oberschenkel über. «Die Entlastung des Rückens ist wirklich beeindruckend», sagt Berger. Für die passive Variante hat er sich entschieden, weil diese leichter ist und flexibler zwischen den engen Kulturen eingesetzt werden kann. Er ist überzeugt, dass sich das Exoskelett auch gut für gebückte Arbeiten im Gemüsebau eignen würde, beispielsweise beim Schneiden von Salaten oder Blumenkohl. Gekostet hat das Exoskelett rund 6000 Franken. Das ist eine ganze Stange Geld. Doch Juan Franco von Ergoexpert SA in Tavannes, welche die Ottobock-Geräte in der Schweiz vertreibt, warnt vor Schnellkäufen billiger Exoskelette im Internet. «Jeder Betrieb hat seine eigenen Bedürfnisse, die ein ausgebildeter Ergonom zuerst vor Ort genau abklären muss, um eine passende Lösung anbieten zu können.» Für die richtige Anwendung eines Exoskeletts sei zudem eine fachgerechte Einführung unabdingbar.
Aktive Variante für schwerere Lasten
Passives oder aktives Exoskelett? Da gehen die Meinungen auseinander. Jungpflanzengärtner Lukas Etter aus Ried FR setzt seit Dezember auf ein aktives Exoskelett von German Bionic. «Für uns kam nur eine aktive Variante in Frage, weil unsere Leute schwere Lasten heben müssen.» Das Exoskelett ist mit künstlicher Intelligenz und einem Elektromotor ausgestattet, und entlastet den Rücken unmittelbar, automatisch angepasst auf die Situation. «Die empfohlene aber in der Praxis nie eingehaltene Heben aus der Hocke wird mit dem Gerät hinfällig», erklärt Ali Uzun von German Bionics. Auf dem Biojungpflanzenbetrieb kommen die vier Geräte vor allem für das Palettisieren von Jungpflanzenkisten zum Einsatz. Es sei immer schwieriger geworden, Mitarbeitende für diese schwere Arbeit zu finden, sagt Etter. Mit der Entlastung des Exoskeletts erhofft er sich, dass die Motivation nun ansteigt. «Unsere Leute reagierten schon einmal positiv.» Ausserdem gehe es ihm um den Gesundheitsschutz. «Ein Ausfall wegen eines Bandscheibenvorfalls wiegt schwerer als die Investition.» Die Kosten für die High-Tech-Exoskelette liegen deutlich höher als bei passiven Geräten. Lukas Etter ist aber überzeugt, dass sich die Investition langfristig auszahlen wird.
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