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«Es ist schwierig, bei Gemüse einen Unique Selling Point heranzubringen»

siegristMarketingforscher gehen davon aus, dass beim Einkauf emotionale Faktoren wichtiger sind als rationale. Das sei ein Problem für Gemüse, weil das sensorische Erlebnis fehle, sagt der ETH-Professor.

 

Herr Siegrist*, wie wichtig ist die Herkunft und die Produktionsart als Entscheidungskriterium für die Kundschaft beim Einkauf von Gemüse?

Es gibt verschiedene Segmente von Konsumenten. Für das eine ist die Produktionsweise wichtig, für das andere die Herkunft oder beides. Es gibt aber auch Leute, die teure exotische Gemüse von weit her kaufen. Und dann gibt es noch die Kunden, die sich in den Billigsegmenten bewegen und nur auf den Preis schauen. Dass die beiden Grossverteiler vor allem im Marketing auf regionale und biologische Produkte setzen, zeigt aber schon, dass das bei den Kunden offenbar ankommt.

Ich behaupte, dass die Bedeutung des Preises bei Gemüse überbewertet wird. Kaum ein Kunde weiss, wie teuer eine Karotte oder ein Kopfsalat ist. Die Abnehmer machen aber bei den Lieferanten trotzdem Druck, um die Preise im Laden zu senken. 

Damit unterstellen Sie den Grossverteilern, dass diese unfähig sind, die Preise richtig festzusetzen. Als Verkäufer wollen Sie ja eigentlich immer das Maximum beim Konsumenten herausholen. Ich denke schon, dass der Preis auch beim Gemüse eine wichtige Rolle spielt. Obwohl der Konsument wohl tatsächlich nicht die genauen Preise kennt, vergleicht er diese natürlich innerhalb des Sortimentes.

Neurobiologen behaupten, dass Emotionen beim Einkaufen wichtiger sind als rationales Verhalten. Was bedeutet das beim Gemüse?

Hier wird das wohl weniger eine Rolle spielen, weil Spontankäufe seltener sind als bei anderen Lebensmitteln. Das liegt daran, dass Gemüse in der Regel zubereitet werden muss und oft nicht alleine, sondern beispielsweise in der Familie gegessen wird. Das ganze ist mit einer gewissen Planung verbunden. Bei einer Fertigpizza, Convenience-Food oder nur schon bei Brot, können Sie Ihren Gelüsten schneller nachgeben, da es unmittelbar konsumiert werden kann. Bei Früchten ist es insofern eine andere Ausgangslage, weil man diese nicht zubereiten muss wie Gemüse. Viele wissen übrigens ja nicht mehr, wie man Gemüse zubereitet.

Ein grosses Bild eines Gemüsegärtners neben dem Regal weckt doch auch Emotionen?

Beim Gemüse fehlt das sensorische Erlebnis: Brot oder Kaffee verströmen angenehme Düfte. Bei Gemüse ist das schwierig. Wenn dieses riecht, dann ist es schon eher ein schlechtes Zeichen. (lacht)

Aber könnte man nicht mit einer entsprechenden Produktepräsentation doch noch mehr erreichen?

Beispielsweise Globus beweist, dass man Gemüse so präsentieren kann, dass es Lust macht. Doch vermutlich ist das eine Kostenfrage, deshalb ist beim Grossverteiler vieles vorverpackt. Und es gibt natürlich schon einen anderen Eindruck, ob Gemüse in Plastik eingepackt ist oder man das Gefühl bekommt, dass es direkt vom Acker kommt. Grundsätzlich ist es schwierig, bei Gemüse einen Unique Selling Point (Alleinstellungsmerkmal) heranzubringen. Kopfsalat ist für die Leute Kopfsalat und schmeckt in der Regel immer gleich.

Könnte das Gemüse wenigstens bei der Nachhaltigkeit punkten? Schliesslich setzen gerade die Grossverteiler darauf. 

Für Konsumenten ist es schwierig, die Nachhaltigkeit von einem Produkt einzuschätzen. Ein Gemüse ist ja diesbezüglich nicht automatisch gut, weil es aus der Region kommt. Unsere Studien haben gezeigt, dass die Konsumenten nicht immer das «richtige» Kriterium verwenden. Die Transportdistanz und die Verpackung werden von den Konsumenten beispielsweise überbewertet. Bei getrockneten Bohnen aus China, die mit dem Schiff transportiert wurden, ist die Distanz aus Sicht der Nachhaltigkeit aber beispielsweise nebensächlich.

Ich stelle etwas ernüchtert fest, dass die Möglichkeiten von Verkaufsförderungsmassnahmen beim Gemüse offenbar beschränkt sind und der Preis doch ziemlich wichtig ist.

So tragisch würde ich das nicht sehen. Gerade bei der Regionalität scheint es ja zu funktionieren. Viele haben hier das Gefühl, dass regionale Produkte nachhaltig sind, kurze Transportwege haben und besser schmecken. Obwohl es nicht stimmen muss. Aber wenn die Konsumenten das glauben, ist das natürlich für die Produzenten ein gewisser Vorteil. n

* Michael Siegrist ist Professor für Consumer Behavior an der ETH Zürich

Veröffentlicht in Blog

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