Genfer Gemüsegärtner treten mit einem neuen Label am Markt auf, das für die
Produktion ohne synthetische Pflanzenschutzmittel steht. Die Salate aus der Aeroponic-Anlage von Jeremy Blondin passen ideal ins Konzept.
Für was in der Erde herumwühlen und sich Insekten, Krankheiten und anderen Unwägbarkeiten aussetzen, wenn es auch einfacher geht? Der Genfer Gemüsegärtner Jeremy Blondin glaubt, dass sich der Gemüseanbau immer mehr in geschützte, kontrollierbare Umgebungen verschieben wird. Er weiss, von was er spricht. Er führt den Gewächshausbetrieb «le Domaine des Mattines» in Perly in sechster Generation. 30 verschiedene Tomatensorten sind das Hauptgeschäft. Und diese wachsen bei ihm wie an vielen Orten bereits seit Jahren nicht mehr im Boden sondern in Substraten. Für Blondin ist klar, dass diese Produktion nachhaltig ist. «Doch der Kundschaft muss man das zuerst erklären,» sagt der kommunikative Gemüsegärtner. Neben seiner Aktivität in den Sozialen Medien, Hofführungen oder im direkten Kontakt im eigenen Laden setzt er dabei seit diesem Jahr auf das von offizieller Stelle kontrollierte Label «cultivé sans Pesticides de synsthèse». Dabei übernahm die Union Maraîcher de Genève (UMG) die notwendigen administrativen Schritte und die Kreation des Labels – auf Drängen der zwei Genfer Mitgliedsbetriebe «le Domaine des Mattines» und «La serre des marais»
Nachhaltige Produktion fördern
Bereits vor einer Weile verpflichteten sich die Produzenten der UMG, die Nachhaltigkeitsziele der Charta des französischen Labels «Demain la terre» zu erfüllen. (Siehe Gemüesbau Ausgabe 6/20). Dazu gehören unter anderem die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder des Wasserverbrauchs, die Reduktion von Abfall und mehr Recycling oder auch soziale Komponenten sowie die Regionalität. An der Verkaufsfront wird das von einer unabhängigen Stelle kontrollierte Engagement allerdings kaum ausgelobt. «Es ist vor allem ein gutes Instrument, womit sich die Genfer Gemüseproduktion im Anbau kontinuierlich verbessern kann», erklärt Jeremy Blondin.
Mit der Lancierung des Labels geht die UMG nun einen Schritt weiter. Die Volksabstimmungen im letzten Jahr hätten gezeigt, dass es viele offene Fragen bezüglich Pflanzenschutzmittel gäbe. «Mit diesem Label geben wir nun Antworten», sagt Blondin. Der Hauptunterschied zum Anbau nach Suisse Garantie-Kriterien besteht bei «cultivé sans pesticides de synthèse» darin, dass nur noch auf der FIBL-Hilfsmittelliste aufgeführte Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. Eine klare Botschaft an die Kundschaft also. Ein ähnliches Label führt in Frankreich auch «Demain la Terre», doch die Genfer Version ist auf die speziellen Schweizer Verhältnisse angepasst, was unter anderem vom Genfer Kantonschemiker so verlangt wurde. Die beim Label festgelegten Bestimmungen lassen sich insbesondere im geschützten Anbau recht gut umsetzen. Der Verzicht auf herkömmliche Pflanzenschutzmittel sei in Tomaten über die Klimaführung gut zu bewerkstelligen, erklärt Blondin. Mehr Probleme bereiteten die Insekten: «Die erlaubten Biomittel sind teilweise weniger kompatibel mit dem Einsatz von Nützlingen als die konventionellen Pflanzenschutzmittel.» Die Umsetzung des Labels sei ein Lernprozess, an dem auch die Mitarbeitenden miteinbezogen werden. «Je früher diese ein mögliches Pflanzenschutz-Problem erkennen und melden, desto besser.»
Salate in Aeroponic
Seit vier Jahren wachsen in den Gewächshäusern in Perly auch verschiedene Salate und Kräuter. Jeremy Blondin setzt dabei auf das Schweizer Aeroponic-System «CleanGreens». Die Salate werden einzeln in Steinwolle ausgesät, und holen sich die Nährstoffe und das Wasser für das Wachstum über je nach Sorte bis zu 50 cm lange Wurzeln aus einem feuchten Nebel. Das System passe perfekt zur Nachhaltigkeitsphilosophie des Betriebs und zum Label. Die Produktion brauche wenig Wasser und pro Quadratmeter wüchsen jährlich 150 Salate heran, viel mehr als im Freiland, erklärt er. Die Torfproblematik im üblichen Substrat bei den Jungpflanzen ist gelöst und die Steinwolle lasse sich recyclieren oder als harmloser «Sand» nutzen. Über künstliche Beleuchtung mit LED-Lampen in verschiedenen Farbspektren lasse sich das Wachstum gut beeinflussen und die Pflanzen würden robuster gegen Krankheiten, sagt Blondin. Im Unterschied des bereits verbreiteten Hydroponic-Systems, liessen sich mit Aeroponic zudem besser Einzelsalate produzieren. Die knackigen Salate kämen sehr gut an bei der Kundschaft. Allerdings sei die Produktion auf den 300 Quadratmetern etwas teurer pro Stück als im Freiland, weil noch relativ wenig automatisiert sei. Deshalb werden die Salate bisher als Spezialität nur in einer Migros-Filiale in Genf verkauft. Viele Salate gehen aber direkt im Laden vor Ort unter dem Label «cultivé sans pesticides de synthèse» weg.
Label stösst auf verhaltenden Anklang
Das von den beiden Genfer Gewächshausbetrieben lancierte Label löst in der Branche nicht nur Euphorie aus. Zum einen ist da die grundsätzliche Skepsis gegenüber einem weiteren Label, für das es zusätzlich noch einigen Erklärungsbedarf gibt. Denn das Ganze bewegt sich ja irgendwo zwischen konventionell und bio. «Viele haben zudem Bedenken, dass Suisse Garantie damit abgewertet wird», sagt Blondin. Auch deshalb sind die Abnehmer bis jetzt skeptisch. Bisher lässt nur Manor die Verwendung des Labels zu. Blondin selbst ist aber immer noch überzeugt, dass sich der ganze Zusatzaufwand für ihn langfristig lohnen wird. Denn letztlich gehe es ihnen auch darum, die eigene Produktion frühzeitig auf den absehbaren Wegfall von weiteren Wirkstoff-Zulassungen vorzubereiten. Und vielleicht steige dann ja das Interesse am Label auch auf anderen Betrieben in der Schweiz, sagt er.
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