Die Nachfrage nach Joghurt und Käse aus Bioschafmilch nimmt seit Jahren zu. Auch deshalb eröffnete die Emscha Gmbh in Entlebuch vor kurzem ihre neue Molkerei.
Vor 22 Jahren brach Landwirt Peter Hofstetter aus Entlebuch auf eine entscheidende Reise auf. Er suchte nach neuen Perspektiven für seinen Hof Widmen, wo die Einträge aus der Kuhmilchproduktion immer weniger wurden und dazu in diesem Bereich kaum Wachstumsmöglichkeiten bestanden. Er hatte eine Idee im Kopf. In Frankreich besuchte er Bauern, die ihm zeigten, wie sie ihre Schafe hielten und mit ihnen Milch und daraus Käse produzierten. Schafmilch war in der Schweiz damals noch kaum ein Thema. Peter Hofstetter erkannte darin seine Chance. Schon ein Jahr später importierte er aus Frankreich 60 Schafe der Rasse Lacaune. Typisch für diese sind nicht nur ihr wollfreier Bauch sondern auch das leichte Gewicht sowie die gute Berggängigkeit. Ideal für die stotzigen Hänge im rauen Entlebuch, wo das Gras von den Wiesen eigentlich der einzige vernünftige Rohstoff für die landwirtschaftliche Produktion darstellt.
Vom Lieferanten zum Veredler

Über zwanzig Jahre später: Peter Hofstetter eröffnet im Februar 2017 eine neue, ganz moderne Bioschafmilchverarbeitungsanlage der Emscha Gmbh zur Herstellung von Knospen-Käse und -Joghurt. «Schafbuur.ch» steht an der Front des Schafstalls gegenüber in grossen Lettern geschrieben. Im Stall, wo früher die Milchkühe untergebracht waren, leben nun 250 Milchschafe. Heute ist praktisch alles auf Schafe eingestellt auf dem Hof Widmen. Viel ist passiert in den letzten zwanzig Jahren. Der Weg war alles andere als eben. Wie es manchmal im Leben vorkommt, entpuppte sich eine vermeintliche Krise schliesslich als Glücksfall. Als die damalige Abnehmerin Emmi nämlich um die Jahrtausendwende ihre Abnahmepreise für die Schafmilch aus dem Entlebuch drastisch senkte, nahm Hofstetter die Sache mit Frau Heidi und seinem Freund und Schafzuchtkollegen Werner Lötscher in die eigenen Hände. Käse und Joghurt herstellen konnten sie ja auch selbst. Sie gründeten kurzum die Firma Emscha Gmbh und bauten im ehemaligen Ökonomiegebäude eine Käserei ein. Peter Hofstetter und sein Geschäftspartner waren überzeugt, dass naturnah produzierte, vor Ort verarbeitete Schafmilchprodukte aus dem Entlebuch genug Anklang finden würden bei einer anspruchsvollen Kundschaft. Der Firmenname, abgeleitet aus Entlebucher Milchschaf, wurde nun zum Programm. «Wir achten heute immer noch strikt darauf, dass die Bioschafmilch nur aus der hügeligen Region kommt und nur mit Gras und Heu von hier produziert worden ist», sagt Peter Hofstetter. Schon kurz nach dem Start wurde das erste Schafmilchprodukt mit einem Innovationspreis ausgezeichnet, weitere Preise folgten, darunter im Jahr 2007 auch der Solarpreis für die damals erste Nullenergie-Käserei der Schweiz. Das Konzept funktionierte. Sie trotzten damit der börsenkotierten Grossmolkerei, die in der Schafmilch zu wenig Potenzial sah, um Gewinne für ihre Aktionäre zu erwirtschaften.
Ein durch und durch regionales Projekt

Die Milch nur von den eigenen Schafen des Hofs Widmen reicht allerdings schon länger nicht mehr aus, um die stetig steigende Nachfrage zu decken. Verstärkung kommt von aussen: neun Bauern aus der Region produzieren inzwischen Schafmilch für die Emscha Gmbh. Die meisten der total 1000 Schafe grasen im Auftrag der Emscha auf den Entlebucher Hügeln. Und das ist eine grosse Genugtuung für den innovativen Bauern Hofstetter: «Damit ermöglichen wir neun Bauernfamilien in der Region ein Einkommen.» Die Wertschöpfung bleibt so im Tal, und das in einer Gegend, in der Arbeitsplätze eher rar sind. Mit mittlerweile zehn Angestellten zählt die Käserei zudem bereits zu den grösseren Arbeitgebern in der Region. Die Emscha Gmbh ist seit 2013 Mitglied der Vermarktungsorganisation Biospähre Markt AG. Darin bündeln mehrere Entlebucher Lebensmittelhersteller ihre Kräfte und treten gemeinsam mit regionalen Produkten am Markt auf. Emscha-Mitbegründer Werner Lötscher hätte diese Entwicklung zweifellos gefreut, doch leider verstarb er vor sechs Jahren an Krebs. «Das war ein schwerer Schlag für uns», sagt Hofstetter. Doch einmal mehr rappelte man sich auf. Lötschers Frau Bernadette verkaufte ihre Anteilscheine an die Hofstetters, hält aber immer noch Schafe und ist weiterhin eine überzeugte Emscha-Lieferantin der ersten Stunde.
Gelebte Nachhaltigkeit

Es ist früh am Morgen, drei Autos mit Anhängern und kleinen Chromstahltanks warten bei der Milchannahme. Diese sei nun viel schneller und angenehmer als vorher, sagen sie. Die neuen Anlagen sind auf eine fünfmal grössere Milchmenge ausgelegt als die alte Käserei im ehemaligen Ökonomiegebäude. Mit der Emscha GmbH sind auch die fünf Kinder der Hofstetters erwachsen geworden. Drei von ihnen arbeiten heute auf den Betrieben mit: Lukas führt den Bauernhof mit den Schafen, Martin arbeitet in der Administration und Simon ist als künftiger Betriebsleiter bei der Schafmilchverarbeitung vorgesehen. Simon hat die landwirtschaftliche Ausbildung sowie den Abschluss als Agrokaufmann HF absolviert, zurzeit studiert er berufsbegleitend Wirtschaftspsychologie. 98 Prozent aller Emscha-Produkte würden ausserhalb des Entlebuchs abgesetzt. Er schätzt, dass ein grosser Teil der Kundschaft im urbanen Raum zu Hause ist. Der Renner bei den Bioschafmilch-Joghurts sei die Natur-Version ohne Fruchtzusätze, sagt er. Auch das zeugt irgendwie von einer mündigen Kundschaft. Doch die Produkte würden vor allem auch gekauft, weil bei diesen der Begriff Nachhaltigkeit nicht bloss eine leere Worthülse sei. «Wir produzieren wertvolle Lebensmittel praktisch nur aus Rohstoffen und Energie, welche die Natur in der Region hergibt.» Die Käserei sei zudem mit viel Holz aus der Region gebaut worden, produziere eigenen Solarstrom und beziehe über eine unterirdische Leitung Solarwärme vom Scheunendach gegenüber. Dazu wird auch die Abwärme aus den Produktionsanlagen wieder aufgefangen und weiterverwendet. Hier wird Nachhaltigkeit gelebt.
Die Landschaft steckt in der Milch

«Mähhhh» ertönt es vom Schafstall gegenüber. Die Tiere machen sich gerade bereit für den Melkstand. Das Prozedere dauert je zwei Stunden am Morgen und am Abend. Schafe geben übrigens weniger als ein Zehntel so viel Milch wie eine durchschnittliche Kuh. Der Melkvorgang ist deshalb aufwändiger und teurer. Nach dem Melken werden die Schafe auf die Weide entlassen, wo sie in der malerischen Landschaft der Unesco Biospähre Entlebuch das tun, was sie am Besten können: Gras fressen und dieses zu wertvoller Milch veredeln. In jedem Liter Milch, in jedem Becher Joghurt oder in jedem Stück Käse steckt diese Natur drin. Das ist ein Teil des Erfolgsrezepts der Emscha-Produkte.
Peter Hofstetter schaut zufrieden auf die Herde. Vor zwanzig Jahren hätte er sich nicht vorstellen können, was bis heute hier entstanden ist. Dabei verfolgte er im Grundsatz eigentlich immer dasselbe Ziel, wie schon seine Vorfahren vor 500 Jahren auf dem Hof Widmen: Der Erhalt der Existenz des Familienbauernhofes. Dieses Ziel hat er nun sogar übertroffen.
Kurz-Portrait
Auf dem Bio Suisse zertifizierten rund 30 Hektaren grossen Hof Widmen in Entlebuch leben 250 Milchschafe, dazu ein paar Schweine und Hühner. Als Zusatzangebot werden Ferienzimmer und ein Partyraum vermietet, sowie ein Hofladen betrieben. Peter und Heidi Hofstetter und vier ihrer fünf Söhne leben auf dem Betrieb. 1999 wurde die Bio Suisse zertifizierte Schafmilchkäserei Emscha Gmbh gegründet, mit heute zehn Angestellten. In diesem Jahr bezog die Käserei einen Neubau. Es werden Past-Milch, verschiedene Käse, Quark und Joghurt hergestellt und über den Detailhandel verkauft. Im Biofachhandel sind die Produkte unter der Marke Gauch’s Schafmilchprodukte im Gestell zu finden. www.schafbuur.ch / www.emscha.ch
Vorteil Schafmilch
Schafmilch enthält fast doppelt so viele Fette und Eiweisse wie Kuhmilch. Sie hat ein mildes Mandelaroma und ist daher nicht mit dem eher strengen Geschmack der Ziegenmilch vergleichbar. Schafmilch hat einen sehr hohen Anteil an essentiellen Fettsäuren und ist sehr vitaminreich. Sie gilt als gesündeste Milch in unseren Breitengraden. Zudem werden ihr auch verschiedene Heilwirkungen nachgesagt. Viele Kuhmilchallergiker ertragen Schafmilch, weil diese besser verdaulich ist.
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