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Biogasanlagen sind prädestiniert für Regelstrom

Ein Modem im Steuerungskasten des Blockheizkraftwerks liefert dem virtuellen Kraftwerk die Daten. (rechts Patrick Neuenschwander von Fleco Power, links Samuel Imboden).

Wenn unvorhergesehen plötzlich viel Strom ins Schweizer Stromnetz fliesst, leisten Biogasanlagen innerhalb eines virtuellen Kraftwerkes wertvolle Dienste zur Netzstabilisierung. 

Was hat eine Biogasanlage im aargauischen Busslingen mit einem Windpark in Deutschland zu tun? In Zukunft vielleicht viel mehr als man heute denkt. Der Grund liegt in einem unscheinbaren Kästchen, das im Steuerkasten des Blockheizkraftwerkes eingebaut ist. «Das Modem liefert über das Mobilfunknetz laufend Daten an einen zentralen Server nach Winterthur, mit den Angaben zur Leistungsbereitschaft der Anlage», erklärt Landwirt Samuel Imboden. Das Modem stellt die Verbindung zum sogenannten virtuellen Kraftwerk her, das die Firma Fleco Power von dort aus betreibt. Darin bündelt das Unternehmen Strom von rund hundert vornehmlich landwirtschaftlichen Energieerzeugern aus den Bereichen Biomasse-, Photovoltaik- und Kleinwasserkraft. Das Zauberwort heisst «Regelenergie». Mit dieser sorgt die Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid dafür, dass das nationale Stromnetz eine stabile Spannung von 50 Hertz behält. Mit der Regelenergie führt sie quasi die Feinsteuerung durch: Ist zu wenig Strom im Netz, beauftragt sie die Anbieter wie beispielsweise Fleco Power kurzfristig, die Stromproduktion ihres Verbunds zu erhöhen. Im umgekehrten Fall wenn zu viel Strom vorhanden ist, verlangt sie von diesen, die Reduktion der Produktionsleistung. In beiden Fällen gibt es ein Entgelt. Ist weniger Strom gefragt, gibt die Software beispielsweise der Biogasanlage in Busslingen das Signal, für eine bestimmte Zeit das Blockheizkraftwerk abzustellen.

Zurück zum Windpark in Deutschland: Weichen die Windbedingungen stark von den Wetterprognosen ab, kann dies unmittelbar zu einem Überangebot von Windstrom im europäischen Stromnetz führen. Extreme unvorhergesehene Schwankungen gab es im letzten Frühling: «Swissgrid beanspruchte dann zur Entlastung des Stromnetzes während 33 Stunden Leistungen von uns», sagt Patrick Neuenschwander von Fleco Power. Es war der Härtetest für das erste virtuelle Kraftwerk, das zu einem grossen Teil Strom von Schweizer Bauernhöfen bündelt.

Zusatzeinnahmen für Anlagenbetreiber

Patrick Neuenschwander von Fleco Power und Landwirt Samuel Imboden sind überzeugt, dass Strom von der Biogasanlage eine gute Zukunft haben.

Samuel Imboden, Nik und Thomas Peterhans betreiben ihre Biogasanlage in Busslingen mit der einfachen Gesellschaft agrino. In den beiden Fermentern gären vor allem Mist und Gülle aus der eigenen Milchvieh- und Mutterkuhhaltung, dazu kommen als Co-Substrate vor allem Getreideabgang, Rüstabfälle und Fettabscheider. Die elektrische Leistung beträgt 150 Kilowatt, die Abwärme wird für die Heubelüftung, die Beheizung der Wohnhäuser sowie für die Trocknung von Holzschnitzeln verwendet. Für die jährlich in der Biogasanlage produzierten rund 1 Million Kilowattstunden Ökostrom erhalten sie die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). Diese Einnahmen sind für die nächsten Jahre garantiert und geben Investitionssicherheit. Doch Samuel Imboden lenkt sofort ein: «Ein innovativer Biogasanlagenbetreiber optimiert permanent weiter, was immer mit Kosten verbunden ist.» Sei es technisch oder eben mit der Teilnahme am virtuellen Kraftwerk von Fleco Power, dies allerdings weniger aus finanziellen Gründen. Pro Jahr erhalten die drei Bauern für ihre 150-kW-Anlage ein im Vergleich zu den KEV-Einnahmen nur ein bescheidenes «Bereitschaftsentgelt», damit sie bei Bedarf die Produktion ihrer Anlage reduzieren. Dazu kommen variable Einnahmen aus allfälligen Leistungsabrufen, wenn die Dienste von Swissgrid abgerufen werden. Als Gegenleistung müssen sie die Anlage für Regelstrom im gegebenen Fall für maximal 4 Stunden freigeben oder abstellen. Neben der Installation des Modems und der Antenne entstanden den beiden keine zusätzlichen Kosten. Neuenschwander schätzt, dass sich diese Installationskosten je nach Art und technischem Stand der Anlage innert 6 bis 12 Monaten amortisieren. In Busslingen waren keine weiteren Investitionen nötig, weil die vorhandenen Speicherkapazitäten der Biogasanlagen in Busslingen bereits genügten, um die verlangten Bereitschaftsverpflichtungen zu erfüllen.

Bereitschaft wird bezahlt

Swissgrid bezahlt Fleco Power vor allem für die Bereitschaft. Bei kurzfristigen Turbulenzen lohnt sich das für sie, ein Netzzusammenbruch oder gar ein Blackout wären sehr teuer. Weil Fleco Power in seinem virtuellen Kraftwerk vor allem KEV-Anlagen bewirtschaftet, sind die Preise im Vergleich zu anderen Regelenergieanbietern hoch. «Wir müssen unseren Teilnehmern mindestens gleich hohe Entgelte wie die KEV anbieten, sonst würden sie nicht mitmachen», erklärt Neuenschwander. Deshalb greift Swissgrid nur in extremen Situationen auf den relativ teuren Regelstrom von Fleco Power zurück, im Durchschnitt einmal pro Monat. Weshalb machen Samuel Imboden, Nik und Thomas Peterhans trotzdem im virtuellen Kraftwerk mit? Peterhans ist überzeugt: «Die Steuerung von Strom aus erneuerbaren Energien und die bedarfsgerechte Produktion werden an Bedeutung gewinnen.» Sie wollen Erfahrungen in diesem Bereich sammeln und sich für die Zukunft wappnen. Zudem findet er es gut, dass die Landwirte gemeinsam auf dem Strommarkt als Anbieter auftreten.

Auch andere Anbieter buhlen um die Gunst der bäuerlichen Energiewirte. Denn gerade Biogasanlagen sind mit ihrer Speicherfähigkeit und der im Vergleich zur Photovoltaik oder Windenergie zu allen Tages- und Jahreszeiten gleichmässigen Produktion interessante Partner für Regelenergieanbieter. «Fleco Power lässt uns aber im Vergleich zu anderen Anbietern mehr Flexibilität», sagt Imboden. Diese verlangten beispielsweise viel genauere Angaben zur täglichen Stromproduktion, was mit deutlich mehr Aufwand verbunden gewesen wäre. Fleco Power schreibt hingegen keinerlei Fahrpläne vor. Sie kommt so den zeitlich ohnehin schon stark beanspruchten Landwirten entgegen und bewahrt deren Eigenständigkeit. «Falls nötig, kann ein lokales Signal sogar eine Anfrage von uns übersteuern», erklärt Neuenschwander. Beispielsweise wenn der Gasspeicher voll ist oder es gerade Wärme für die Heubelüftung braucht.

In Zukunft mehr Direktvermarktung

Obwohl das virtuelle Kraftwerk von Fleco Power seine Tauglichkeit längstens unter Beweis gestellt hat, befindet man sich immer noch mitten in der Lernkurve.  «Biogasanlagen wie diese hier in Busslingen helfen uns bei der Optimierung der Abläufe», sagt Neuenschwander. Als eigentliche Produzentenorganisation gehe es ihnen vor allem darum, den bäuerlichen Betreibern bei der Optimierung ihrer Anlagen zu helfen und sie auf die Änderungen auf dem Strommarkt im Zusammenhang mit der Energiestrategie 2050 vorzubereiten. Zudem will Fleco Power zur Nummer eins in der Stromvermarktung für die Landwirtschaft werden.

Die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) wird Anfang 2018 vom neuen Einspeisevergütungssystem (EVS) abgelöst. «Finanziell wird es unter dem Strich für uns gleichbleiben, da wir die KEV-Erlöse ja vertraglich für die nächsten Jahre zugesichert haben»,  sagt Imboden. Doch man wolle sich trotzdem auf die Zeiten danach vorbereiten, in denen der Markt viel mehr spielen werde als heute. Die im virtuellen Kraftwerk gemachten Erfahrungen, sollen dann helfen. Und wer weiss: Falls die Strompreise wie seit Jahren angekündigt tatsächlich einmal steigen sollten, könnte die für Regelenergie prädestinierte Flexibilität von Biogasanlagen plötzlich ökonomisch sehr interessant werden. Weshalb nicht mit einem zusätzlichen Gasspeicher, um ein separates Blockheizkraftwerk möglichst nur noch zu Spitzenbedarfszeiten laufen lassen zu können?


Virtuelles Kraftwerk aus erneuerbaren Energien

Fleco Power AG ist mit ihren Muttergesellschaften Genossenschaft Ökostrom Schweiz und MBRsolar AG stark in der Landwirtschaft verankert. Das virtuelle Kraftwerk besteht zurzeit aus rund 100 Anlagen mit einer Leistung von 30000 Kilowatt, und tritt rund um die Uhr als ökologischer Regelenergieanbietergegenüber Swissgrid auf. Der Anlagenpool setzt sich zu je einem Drittel aus Biogas-, Photovoltaik und Kleinwasserkraftwerken zusammen. www.flecopower.ch

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