
Immer mehr Biobetriebe kämpfen auf ihren Parzellen mit Erdmandelgras. Eine Umfrage zeigte, dass vorbeugende Massnahmen zur Verhinderung eines Befalls immer noch zu wenig bekannt sind.
Das Ungemach kam vor acht Jahren mit einer Ladung Humus aus Niederönz. Von dem Ort also, bei dem auf dem Geoportal des Kantons Bern für alle sichtbar viele orange Punkte erscheinen. Jeder Punkt steht für eine Parzelle mit einem von der Pflanzenschutzfachstelle eingetragenen Erdmandelgrasbefall. Der mit den kleinen Erdmandeln kontaminierte Humus wurde von der Gemeinde neben der frisch asphaltierten Strasse zur Ausebnung des angrenzenden Ackerlandes von Biobauer Fritz Widmer in Alchenstorf BE aufgeschüttet. Im Folgejahr fielen ihm beim Mähen die auffälligen Erdmandelgras-Blüten auf. Die Pflanzen habe er alle ausgelocht und mit dem Kehricht entsorgt, so wie es die Experten empfehlen. Es reichte nicht. «Im folgenden Frühling war das Erdmandelgras bereits überall.» Widmer hatte Glück im Unglück. Der für den Bau der Strasse zuständige Baumeister liess den gesamten Humus inklusive Erdmandeln wieder abtragen und durch sauberen ersetzen. Kosten entstanden für Widmer glücklicherweise keine. «Hätte ich das selbst bezahlen müssen, wäre es für mich teuer geworden», sagt Widmer erleichtert. Erfolgreiche Sanierungen wie hier sind aber eher die Ausnahme als die Regel.
Früherkennung ist entscheidend
Damals wusste Widmer noch kaum etwas über die Pflanze. Heute würde er ihre Blätter sofort erkennen. Natürlich hatte er schon vom Problemunkraut gehört. Aber wie es halt so sei: «Solange man nicht selbst betroffen ist, beschäftig man sich zu wenig mit der Problematik.» Die Früherkennung eines Erstbefalls ist bei Erdmandelgras aber extrem wichtig, weil sich die Pflanzen über die jahrelang keimfähigen Knöllchen im Boden explosionsartig verbreiten. Ist der Befall erst einmal da, wird die Bekämpfung des vom Ausland eingeschleppten Neophyten sehr schwierig und teuer. Selbst im konventionellen Anbau haben Herbizide nur eine Teilwirkung und funktionieren nur in Kombination mit anderen Massnahmen. Im Biolandbau bleiben eigentlich bei grossflächigem Befall nur eine angepasste Fruchtfolge, eine gezielte Bodenbearbeitung, das Ausgraben, Dauergrünland oder eine langjährige Schwarzbrache als realistische Bekämpfungsmethode übrig. Im schlimmsten Fall droht die «Stilllegung» der Parzelle.

Oft zu spät erkannt
Hansueli Dierauer ist am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick seit vielen Jahren die Ansprechperson, wenn es um Erdmandelgras geht. «Dieses verbreitet sich weiterhin schleichend aber kontinuierlich weiter», sagt er wenig euphorisch. Meistens erfolge die Verbreitung von Betrieb zu Betrieb über die Erde an Bodenbearbeitungs- oder Erntegeräten. Oft werde der Befall immer noch zu spät erkannt. Dazu sei es wenig hilfreich, dass es immer noch keine nationale Meldepflicht gebe. Diese besteht nur in einzelnen Kantonen. Deshalb weiss man bisher nicht so genau, wie viele Fälle es gibt. Das wäre aber die wichtigste Voraussetzung für die Prävention, findet Dierauer. «Lohnunternehmer müssen wissen, welche Parzellen betroffen sind». Im Biolandbau seien vor allem Gemüsefelder betroffen, sagt Dierauer. Auf einen Aufruf in einem Artikel in dieser Zeitschrift vor vier Jahren, sich bei einem Verdachtsfall zu melden, habe er aber gerade einmal zwei Anrufe erhalten, sagt er. Betroffene Bauern sind eher zurückhaltend mit Melden, weil ihnen bei einer Sanierung ein Verlust von Fruchtfolgefläche und damit auch wirtschaftliche Einbussen drohen.

Verschleppung verhindern
Die Dunkelziffer von nicht gemeldetem Erdmandelbefall dürfte beträchtlich sein, glaubt auch Pascale Sperling von der Berner Fachhochschule HAFL. Sie führte Anfang Jahr im Auftrag von Bio Suisse eine Umfrage bei Biobauern in besonders stark betroffenen Gebieten in den Kantonen Bern, Freiburg und Solothurn durch. Diese sollte mehr Klarheit in die aktuelle Situation auf Biobetrieben bringen, auch um den Handlungsbedarf besser abzuschätzen. Zwölf der 145 befragten Betriebe gaben an, Erdmandeln auf dem Betrieb zu haben, die meisten in einem geringen Umfang. Reagiert hätten sie alle richtig, sagt Sperling: «Alle haben angegeben, die Pflanzen ausgegraben zu haben». Allerdings gibt ihr zu denken, dass die Hälfte dies nicht als wichtigste Massnahme sieht. Die meisten Betroffenen betreiben eine mechanische Unkrautregulierung. «Diese ist bei geringerem Befall aber sogar eher kontraproduktiv, da die Erdmandeln entlang der Bearbeitungsspur weiterverschleppt werden». Die Umfrage zeigte, dass die Betroffenen über die Massnahmen zur Eindämmung von Erdmandelgras gut Bescheid wissen.
Vorsorge ist wichtig
Bei den vorbeugenden Massnahmen stellt die HAFL-Forscherin hingegen ein Wissensdefizit fest, obwohl diese in dieser Causa entscheidend sind. Nur ein Zehntel der befallsfreien Betriebe ergreifen gemäss Umfrage bewusst vorsorgliche Massnahmen gegen die Einschleppung, weil sie sich in einem Risikogebiet befinden. Dazu gehören der Verzicht auf den überbetrieblichen Maschineneinsatz bei Problembetrieben, Vorsicht beim Anbau von Risikokulturen wie Kartoffeln, Zuckerrüben oder Feldgemüse sowie keine Verwendung von ungeprüfter, betriebsfremder Erde oder Kompost. Ein Viertel der Befragten kennt aber solche Massnahmen nicht einmal. Fast die Hälfte weiss nicht, wo sich in ihrer Nähe kontaminierte Flächen befinden, obwohl diese in den Geoportalen der drei Kantone aufgeführt sind.
Die Umfrage zeigte, dass immer noch ein hoher Informationsbedarf besteht, obwohl in den letzten Jahren viele Artikel und Bilder in Fachzeitschriften publiziert worden und Informationen auf den Websites der Pflanzenschutzstellen abrufbar sind. Möglicherweise seien die Landwirte aber bereits mit anderen Informationen gesättigt, sagt Sperling. «Deshalb reagieren sie oft erst, wenn der Schaden entstanden ist.»
Massnahmen bei Erdmandelgrasbefall
Bei geringem Befall Pflanzen mit Knöllchen bis zur Pflugsohle ausgraben und im Kehricht entsorgen, an dieser Stelle keine mechanische Bodenbearbeitung und Bodenbewegungen vermeiden.
Kontaminierte Flächen markieren und im Folgejahr kontrollieren.
Den Befall der Pflanzenschutzstelle und allenfalls dem Lohnunternehmer melden und sich beraten lassen.
Die Ausbreitung auf andere Parzellen unbedingt verhindern, Erdrückstände an Maschinen und Geräten noch auf dem Feld entfernen und auf dem Betrieb waschen.
Bei grossem Befall Anpassung der Fruchtfolge, Umwandlung in Dauergrünland oder eine mehrjährige Schwarzbrache (Bewilligungspflichtig).
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