Grosse Pflanzenschutzfirmen investieren in die Produktion von biologischen Pflanzenschutzmitteln. Bayer CropScience beispielsweise sieht in der kombinierten Verwendung mit herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln grosses Potenzial.
Strengere Vorschriften bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und die Streichung der Zulassungen von bewährten Wirkstoffen: Der chemische Pflanzenschutz macht zurzeit schwierige Zeiten durch, viele Gemüseproduzenten sind verunsichert. Doch es besteht Grund zur Hoffnung: Was kleinere Unternehmen wie beispielsweise Andermatt Biocontrol seit Jahren entwickeln und verkaufen, haben nämlich nun auch die grossen Pflanzenschutzfirmen für sich entdeckt: Biologische Pflanzenschutzmittel. Bayer CropScience beispielsweise spricht von Biologika und meint damit Wirkstoffe aus Pflanzen, Bakterien oder Pilzen. Sie hat in den letzten Jahren mehrere Firmen aufgekauft, die über das entsprechende Knowhow verfügen. Zum Beispiel das Unternehmen Prophyta in Wismar. Dieses entdeckte den Pilz Coniothyrium minitans und die Wirkung von dessen Sporen gegen Sclerotinia. Dem entsprechenden Produkt Contans attestieren auch grosse Schweizer Gemüseproduzenten eine gute Wirksamkeit.
Der Einsatz von Pilzen, Bakterien, Nematoden und Nützlingen gegen Krankheiten und Schädlinge in der Landwirtschaft ist nichts Neues. Vor allem im ehemaligen Ostblock wurde schon vor Jahrzehnten mit ihnen gearbeitet. In der Schweiz relativ bekannt sind pflanzenstärkende Produkte wie beispielsweise RhizoVital 42 mit dem Bodenbakterium Bacillus amyloliquefaciens. Die Wirkung ist bei solchen Produkten oft nicht direkt nachweisbar und entsprechend umstritten. Doch bei den Biopflanzenschutzmitteln der neueren Generation scheint das anders zu sein: sie wirken spezifischer. Der Pilz des neu in der Schweiz zugelassenen BioAct WG wirkt beispielsweise gegen Wurzelgallennematoden. Er besiedelt deren Eier und zerstört sie, ehe die Schädlinge schlüpfen.
Lösung für Mehrfachrückstände
Die Diskussionen um Pflanzenschutzmittelrückstände und die Suche nach Alternativen haben das Interesse an biologischen Pflanzenschutzmitteln auch in breiteren Kreisen geweckt: «90 Prozent der Biologika-Produkte werden von konventionellen Landwirten verwendet», sagt Ashish Malik von Bayer CropScience, der für die globale Vermarktung der Biologika zuständig ist. Obwohl die Produkte auch für den biologischen Landbau registriert seien, liege das grosse Potenzial vor allem in der kombinierten Verwendung mit klassischen Pflanzenschutzmitteln. An der Fruit Logistica in Berlin präsentierte Malik Versuche, bei denen das Biofungizid Serenade zusammen mit klassischen Fungiziden angewendet wurde. Es zeigte sich dabei, dass die Anzahl Spritzungen mit den konventionellen Spritzmitteln bei gleicher oder besserer Wirkung deutlich reduziert werden konnte.
Das würde nicht nur die Mehrfachrückstandsproblematik entschärfen. Auch lästige Wartefristen würden teilweise wegfallen, weil viele Biologika auch noch kurz vor der Ernte eingesetzt werden könnten. Vielleicht das wichtigste Argument für eine Firma wie Bayer CropScience ist aber die Tatsache, dass die neuen Mittel auch im Rahmen des Antiresistenzmanagements der konventionellen Pflanzenschutzmittel eine wichtige Rolle spielen könnten, indem sie deren Wirkungsdauer verlängern.
Alle grossen Pflanzenschutzmittelfirmen arbeiten an der Entwicklung von biologischen Pflanzenschutzmitteln. Das zeugt doch von einer bestimmten Bedeutung und Erwartungshaltung für die Zukunft. Ob es tatsächlich in Richtung weniger Chemie geht, bleibt abzuwarten. In der Schweizer Gemüseproduktion bewegen sich die Verkäufe von solchen «neueren» biologischen Pflanzenschutzmitteln noch auf einem bescheidenen Niveau, wie auch Bayer CropSciene Schweiz bestätigt.
Die Anwendung von Bakterien, Pilzen und Co. als Pflanzenschutzmittel ist in der Schweiz noch wenig erprobt und dazu relativ anspruchsvoll. Das noch geringe Interesse dürfte auch daran liegen, dass vorläufig immer noch genügend konventionelle Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen. Wie lange dies noch der Fall sein wird, ist aber unsicher. Oder was sagte ein gescheiter Mensch einst? Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!
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