Deutsche Supermärkte setzen in den Gemüseabteilungen vermehrt auf ausgebildetes Personal und wochenmarktähnliche Atmosphären, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Im Schweizer Detailhandel ist man noch nicht so weit. Daran wird sich so schnell nichts ändern.
Wer sich wohl fühlt, kauft mehr ein. Das Edeka* Center Wagner im Deutschen Coburg beweist, dass dies mehr als Theorie ist. Die Obst- und Gemüseabteilung erzielt dort seit Jahren zweistellige Zuwachsraten. Inhaber Jörg Wagner setzt dabei bewusst auf kompetentes Personal, das er speziell schult. Zwölf Frischefachleute arbeiten bei ihm nur in der mehrfach von der Branche prämierten Obst- und Gemüseabteilung. Sie dient dem Supermarkt als Kundenbringer: «Ein grosser Teil unserer Stammkundschaft kommt wegen unserem Frischesortiment nach Coburg», sagt Wagner. 15,5 Prozent des Einkaufsbetrags geben diese für Früchte und Gemüse aus. Ein Zehntel der total 2346 Quadratmeter Ladenfläche sind für die Obst- und Gemüseabteilung reserviert. Rund 80 Prozent des Gemüses wird offen präsentiert. So entsteht eine wochenmarktähnliche Atmosphäre, in der sich der Kunde wohl fühlt. «Mit zu viel Verpackung wäre das kaum möglich», sagt Wagner.
Als Magnet erweisen sich regionale Produkte. «Wir arbeiten mit einem Gemüseproduzenten aus der Region zusammen.» Dieser sei im Supermarkt mehrmals im Jahr an Verkostungsständen präsent, sagt Wagner. Wagner legt grossen Wert auf solche Aktionen: «Sie schaffen Nähe zwischen der Kundschaft und der Produktion und damit letztlich auch Vertrauen.» Ein anderes wichtiges Steinchen im Mosaik seiner Verkaufsförderungsmassnahmen sind mehrmals im Jahr durchgeführte Events mit Erlebnis-Charakter: Beispielsweise der Salatkochkurs, an dem mehrere verschiedene Salate hergerichtet werden oder das Gemüseschnitzen.
Und wie steht es um die Produktepreise? Auch bei ihm gebe es den üblichen Preiseinstieg über günstige Produkte. Aber eben auch Premiumprodukte als Sahnehäubchen. Wagners Strategie geht auf: Rund 2,5 Millionen Euro Umsatz erzielte seine Obst- und Gemüseabteilung im letzten Jahr.
Einkauf zum Erlebnis machen
Claudius A. Schmitz lehrt an der Fachhochschule Gelsenkirchen und ist Spezialist für Marketing und Einkaufsverhalten. Eine Frage stellen ihm die Händler von Obst und Gemüse besonders oft: Was könnten sie tun, damit nicht immer der Preis im Vordergrund stehe? Seine Antwort: Es brauche am Verkaufspunkt mehr Emotionen. «Wenn diese relevant sind, spielt Geld eine geringere Rolle», sagte Schmitz in seinem Referat anlässlich des Frisch Forums an der letzten Fruit Logistica in Berlin. Der Kundschaft müsse etwas Neues, nicht Alltägliches präsentiert werden. Hingucker seien nötig, die das Interesse weckten. «Diese fehlen oft in den Gemüseabteilungen.» Schmitz glaubt, dass dort in Zukunft wieder mehr geschultes Personal nötig sein wird. Der Einsatz von modernen Technologien wie beispielsweise Touchscreens zur Wissensvermittlung werde in ein paar Jahren zudem normal sein. Das lasse sich gut mit emotionsfördernder «gute-alte-Zeit»-Stimmung kombinieren.
Uniformität bei Migros und Coop
Welche Stimmung vermitteln die Gemüseabteilungen bei den Schweizer Detailhändlern? Euphorie entsteht dort nicht wirklich. In den meisten Coop- und Migrosfilialen wird das Gemüse oft in Plastikverpackungen gestapelt in Kunststoffkisten präsentiert, die eigentlich für den Transport entwickelt worden sind. Das Personal beschränkt sich vor allem auf das Auffüllen der Regale. Für die Dominanz von Plastik werden vor allem hygienische Gründe geltend gemacht. Das Gemüsefachwissen der Mitarbeitenden wird von Coop (siehe Interview nebenan) und Migros aber als ausreichend beurteilt. «Die Fachleiter in den Migros-Filialen verfügen über eine interne Ausbildung für Früchte und Gemüse, dem Team werden zwei Mal pro Woche Informationen über Sortiment, Saison und Markt kommuniziert», sagt Mediensprecher Christine Gaillet auf Anfrage. Beide Anbieter lassen ausrichten, dass regelmässig Degustationen und Aktionen mit Produzenten vor Ort durchgeführt würden. Mehr ist am Verkaufspunkt aber nicht vorgesehen. Obwohl es zusätzliche Präsentationen beispielsweise zu Bio oder Saison gebe, wolle man den Kunden eine einheitliche Frische-Abteilung anbieten, damit die Orientierung in den verschiedenen Migros-Filialen leichter falle, heisst es bei Migros.
Manor macht es vor
Mehr in die «Deutsche» Richtung geht Manor. Die lokalen Lieferanten werden in den Filialen mit grossen Bildern präsentiert, auf den Verkaufsschildern sind die Namen der Gemüseproduzenten angebracht. Obwohl auch hier Ifco-Kisten verwendet werden, wird das Gemüse oft auch offen in anderen «natürlicheren» Gebinden angeboten. In den Manor-Filialen entsteht so noch am ehesten die von den Marketingexperten propagierte Wochenmarktstimmung.
Schweizweit arbeitet Manor mit mehr als 175 Gemüse- und Früchteproduzenten zusammen, die ihre Produkte im Rahmen des Labels «lokal» anbieten. Die Lieferanten seien regelmässig persönlich in den Manor Food Märkten anwesend und würden ihre Produkte zum Degustieren anbieten. «Einige grosse Häuser bieten einmal im Jahr grosse <lokal>-Märkte an, in denen sie während einer Woche vor Ort zeigen, wie sie ihre Produkte herstellen», sagt Manor-Sprecherin Elle Steinbrecher. Das Interesse an solchen Anlässen sei jeweils sehr gross. Und das spricht für sich!
* In der genossenschaftlich organisierten Edeka sind über 4000 selbstständige Einzelhändler zusammengeschlossen.
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E-Mail-Interview mit Ramon Gander, Mediensprecher bei Coop
In den Coop-Filialen ist das Personal in der Gemüseabteilung relativ wenig präsent, zudem fehlt es an spezifischem Wissen über Gemüse. Marketingexperten sagen aber, dass die persönliche Beratung im Verkauf wieder wichtiger wird. Weshalb investiert Coop hier nicht mehr?Unsere Mitarbeitenden sind häufig am Rayon Früchte und Gemüse anzutreffen und stehen bei Fragen auch mit Rat und Tat zur Hilfe. Grundsätzlich bieten wir aber Früchte und Gemüse in Selbstbedienung an. Auch aus anderen Rayons wissen wir, dass die Kunden das Selbstbedienungskonzept sehr schätzen und sie immer weniger bereit sind, an einer bedienten Theke anzustehen.
Gemüse steht für Frische und Natur. Duft und Farben sind gut für die Sinne und sorgen für eine positive, verkaufsfördernde Stimmung. Diese Vorzüge gehen aber zunehmend in Plastikverpackungen verloren. Weshalb ist es nicht möglich, mehr «Wochenmarktstimmung» zu erzeugen?Der Anteil der Artikel, welche vorverpackt verkauft werden, ist bei uns stabil. Grundsätzlich gilt aber festzuhalten, dass vorverpackte Früchte und Gemüse tendenziell länger halten, der Stückverkauf einfacher ist und besonders bei biologischen Lebensmitteln die Gefahr von Vermischung mit konventionellen deutlich kleiner ist.
Coop setzt auf bio und regional. Gemüse sind als Botschafter dafür prädestiniert. Weshalb trifft man in den Filialen nicht mehr Gemüseproduzenten an, die den Konsumenten von ihrer Arbeit berichten?Gemeinsam mit Bio Suisse führen wir regelmässig Degustationen mit Produzenten in unseren Verkaufsstellen durch. Aufgrund ihrer Verpflichtungen in der Landwirtschaft sind sie natürlich nur zeitweise für solche Anlässe abkömmlich.
In den Gemüseabteilungen fehlen Hingucker, in der Marketingsprache Eyecatcher. Das Sortiment wird überall ähnlich präsentiert. Weshalb gibt es in den Filialen nicht mehr Platz für kreative Verkaufsförderungsmassnahmen?Je nach Region und Grösse der Verkaufsstelle gibt es deutliche Unterschiede in der Präsentation von Früchten und Gemüsen. Ein Grundsatz von Coop ist, dass die Ware für sich sprechen soll. Wir sind überzeugt, dass wir damit am Ende den Kunden besser abholen als mit einer allzu dominanten Kulisse aus Werbemitteln.
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