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Von Heidelbeer-Euphorie nicht blenden lassen

Die Anbauflächen von Kulturheidelbeeren nehmen rasant zu. Doch die Risiken sind beträchtlich: Die Kultivierung ist anspruchsvoll und dazu recht teuer. Moment ist die Marktlage für Schweizer Heidelbeeren zwar noch gut und die Preise sind stabil. Das könnte sich aber ändern, warnt ein Experte.  

Der Anbau von Heidelbeeren boomt: Immer mehr Schweizer Landwirte setzen auf den Anbau der blauen Beeren. Alleine in diesem Jahr hat die Anbaufläche um zwanzig Prozent zugenommen, in den letzten zehn Jahren stieg sie von 16 auf über 65 Hektaren. Mittlerweile belegen die Heidelbeeren hinter den Erdbeeren und Himbeeren in der Beeren-Hierarchie den dritten Platz. Der Bund förderte den Anbau bis Ende letztes Jahr mit Beiträgen für die Pflanzung innovativer Kulturen. Bei vielen Neueinsteigern dürfte zudem der Standardarbeitskraft-Faktor eine Rolle spielen, der sich durch diese Spezialkultur erhöht. Doch wer nur aus diesen Gründen Heidelbeer-Büsche pflanzt, dürfte langfristig nicht glücklich werden mit der anbautechnisch anspruchsvollen Kultur.

Trotz steigender Nachfrage und stabilen Preisen dämpfen Experten nämlich bereits die aufkommende Heidelbeer-Euphorie. Der Handel setzt auf Heidelbeeren, weil sie länger haltbar sind als beispielsweise Himbeeren. Und mit durchschnittlich zehn Franken pro Kilogramm bezahlt er den einheimischen Produzenten zurzeit noch einen anständigen Preis, der die Kosten zu decken vermag. «Niemand weiss aber, wie sich die Abnehmer künftig verhalten werden», sagt Res Schilling von ökohum gmbh. Das Risiko eines Preiseinbruchs sei erheblich. Ein Problem: Heidelbeeren profitieren nicht von einem Grenzschutz. Und der Blick über eben diese Grenzen zeigt weltweit schwindelerregende Zuwachsraten bei den Anbauflächen. Das amerikanische Highbush Blueberry Council schätzt, dass die Welt-Produktion im Jahr 2015 auf über 600’000 Tonnen ansteigen wird, 2005 waren es noch 180’000 Tonnen. In Europa stiegen die Heidelbeer-Anbauflächen von 1600 ha im Jahr 1995 auf über 8000 ha im Jahr 2010. Über 3000 ha davon stehen im Billiglohnland Polen. «Diese Zahlen sollten potenzielle Neueinsteiger in der Schweiz vor Augen haben», sagt Schilling.

Anspruchsvolle Kultur

Die Kultivierung von Heidelbeeren ist alles andere als einfach und dazu nicht ganz günstig. Wie die wilden Heidelbeeren im Wald lieben auch die gezüchteten Kulturheidelbeer-Sorten den sauren Boden, idealerweise mit einem pH-Wert zwischen 5 und 5,5. Am besten wären ursprüngliche Moorböden. Weil aber nur die wenigsten Betriebe über solche verfügen, müssen die Böden künstlich für den Anbau von Heidelbeerkulturen hergerichtet werden. Und das ist eine Wissenschaft für sich. Konventionelle Betriebe verwenden meistens eine Mischung aus Torf und Holzschnitzeln. Die Erstellung einer Heidelbeer-Plantage kostet zwischen 100’000 bis zu 200’000 Franken pro Hektare, je nachdem ob mit oder ohne Witterungsschutz. Entscheidend sind aber vor allem die Verfügbarkeit und die Menge des benötigten Substrates. Torf muss aus dem Ausland eingeführt werden und ist relativ teuer. Bei der Beschaffung von Holzreststoffen stehen potenzielle Heidelbeerproduzenten zunehmend in Konkurrenz zu Energieproduktionsanlagen. Aus diesen Gründen ist der Anbau in sogenannten Containerkulturen immer beliebter. «Diese brauchen weniger Substrat und sind deshalb günstiger», sagt Schilling.

Krankheiten und Schädlinge

Bis vor ein paar Jahren galten Kulturheidelbeeren in der Schweiz aus Sicht des Pflanzenschutzes als unproblematisch. Doch Heidelbeer-Experte Schilling weiss aus der Praxis, dass diese Zeiten vorbei sind: «Die Anthraknose, die Botrytis und die Zweigmonilia sind die häufigsten Krankheiten». Dass nur zwei Fungizide bewilligt seien, mache die Situation nicht einfacher. «Vor allem Produzenten an feuchten Standorten sollten vorsichtig sein und resistentere Sorten wählen». Zudem bedrohe eine Reihe von Schädlingen die Heidelbeeren: Vor allem Schildläuse, Triebspitzengallmücke, Frostspanner und Dickmaulrüssler. Dazu kämen Schäden durch Vögel und Mäuse. Und im letzten Jahr tauchte die eingeschleppte exotische Kirschessigfliege erstmals im Tessin in Heidelbeerkulturen auf und richtete dort grosse Schäden an. Schilling weist darauf hin, dass der Anbau von Heidelbeeren grundsätzlich in allen Regionen der Schweiz möglich sei. Entscheidend seien aber lokale Gegebenheiten, wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Wasser. Unterschätzt werde zudem die Frostgefahr, wie sich gerade in diesem Jahr gezeigt habe.

Torf als Grundlage

Die Brüder Oliver und Marius Brupbacher gehören mit ihren drei Hektaren Heidelbeeren in Oberstammheim ZH zu den grösseren Produzenten in der Schweiz. Vor zehn Jahren setzten sie die ersten Büsche. «Wir suchten neben den elf Hektaren Spargeln ein zweites Standbein, das uns beiden ein Einkommen auf dem Betrieb ermöglichte», sagt Oliver Brupbacher. Der Start sei aber schwierig gewesen. Es gab damals höchstens eine Handvoll professionelle Heidelbeerproduzenten. Deren Ratschläge taugten aber wenig. Heute weiss Oliver auch weshalb: «Es gibt eigentlich kein allgemein gültiges Anbausystem bei Heidelbeeren, weil jeder Boden andere Ansprüche stellt.» In den ersten Jahren gehe es deshalb vor allem darum, den Pflanzgrund in den Griff zu bekommen. Die Brupbachers entschieden sich für den Anbau in Dämmen mit Torf als Grundlage, angereichert mit Rindenschnitzeln. Dazu installierten sie eine Tropfbewässerung, weil die flachwurzelnden Heidelbeeren viel Wasser brauchen. Mittlerweile ist sich Oliver Brupacher aber nicht mehr so sicher, ob das Bewässerungssystem wirklich ideal ist: «Die Büsche machen wenig Wurzeln, weil sie sich das Wasser nicht suchen müssen.» Und die Standfestigkeit leidet. Diese ist aber gerade bei diesem Betrieb besonders wichtig weil hier seit sechs Jahren maschinell geerntet wird. Und das ist in der Schweiz speziell, wo die Handernte sonst Standard ist. 

Maschinelle Ernte als Unikum

Den Beerenvollernter kauften die beiden als Occasion direkt beim Hersteller in den USA ein. Im Ausland lohnt sich der Einsatz von solchen Maschinen üblicherweise ab Flächen von zwanzig Hektaren. Wegen des höheren Kostenumfeldes in der Schweiz – die beiden bezahlen ihren Erntehelfern 22 Franken pro Stunde –, lohne sich die maschinelle Ernte auf ihrem Betrieb, sagt Oliver Brupbacher. Die Maschine schüttelt die Büsche und fängt die Beeren auf. Bei vollem Behang erntet sie pro Stunde über 100 Kilogramm. Ein geübter Handernter schafft in der gleichen Zeit 6 bis 8 Kilogramm.

Die Heidelbeerplantage ist voll auf die maschinelle Ernte ausgerichtet: Die Büsche sind eher klein und der Ertrag pro Pflanze im Vergleich deshalb geringer als in den in der Schweiz sonst üblichen Anlagen. Dort rechnet man mit drei bis fünf Kilogramm Heidelbeeren pro Pflanze oder bis zu zehn Tonnen pro Hektare. Schutzabdeckungen gegen Hagel fehlen, weil die drei Meter hohe Maschine sonst nicht eingesetzt werden könnte. Pech, wenn ein Hagelschlag wie in diesem Jahr 70 Prozent der Ernte vernichtet. «Zum Glück waren wir versichert», sagt Brupbacher. Wegen des geringen Behangs kam die Maschine in diesem Jahr gar nicht erst zum Einsatz. Das lohne sich bei geringem Behang nicht, weil es auch bei maschineller Ernte immer zusätzliche Arbeitskräfte brauche. «Und diese sind in einem Hageljahr mit der Handernte besser ausgelastet», erklärt Brupbacher. Den grössten Teil der Ernte liefern die Brupbachers an die lokale Landi in Hüttwilen, die die Heidelbeeren weiter vermarktet. Einen kleinen Teil der Heidelbeeren verkaufen sie direkt an Detaillisten, im Hofladen oder an Selbstpflücker.

Oliver Brupbacher bereut den Einstieg in den Heidelbeeranbau nicht. «Mittlerweile haben wir den Boden gut im Griff». Und die stabilen Preise seien ein Vorteil, sagt er. Neben dem Boden und dem Pflanzenschnitt im Winter sei vor allem das Pflanzgut entscheidend. Dieses beziehen sie aus Gründen der Qualität aus Deutschland. Sie verwenden vorwiegend die Sorten «Bluecrop» und «Duke», die mit ihren grossen Beeren den Anspruch der Abnehmer besser erfüllten.

Bei Bio ist Torf nicht erlaubt

Stefan und Lorena Brunner vom Eichhof in Aarberg BE sind vor zwei Jahren in die Produktion von Bio-Heidelbeeren eingestiegen. Rund 2000 Stöcke stehen auf der knapp ein Hektar grossen Plantage. Weil die Verwendung von Torf im biologischen Landbau verboten ist, setzen sie auf eine Mischung zwischen Sägemehl und Holzschnitzeln aus Fichten, das sie zu einer Art Hügelbeet aufschütten. Darin integriert ist die Tropfbewässerung. Die flachwurzelnden Heidelbeeren stehen im Substrat. Die Brunners schütten jedes Jahr fünf bis zehn Zentimeter Schnitzel auf. Mit der diesjährigen Ernte seien sie ganz zufrieden. Die Beeren werden direkt vermarktet und an Marktfahrer weiterverkauft. In ein paar Jahren sollen auch Grossverteiler beliefert werden. In fünf Jahren rechnet Lorena Brunner mit dem Vollertrag und einer Ernte von einer Tonne pro Woche, verteilt auf zehn Wochen. Sie setzt dabei auf verschiedene Sorten, um ein möglichst grosses Erntefenster zu erhalten.

Mäuseplage

Lehrgeld bezahlten auch Lorena und Stefan Brunner in diesen ersten Anbaujahren. «Das Beratungsangebot ist noch ziemlich dürftig», sagt sie. Und erfahrene Produzenten würden sie nicht auf ihre Betriebe lassen. Bei der Düngung beispielsweise sind sie noch am Pröbeln. «Zurzeit geben wir über das Bewässerungssystem Biorga-N-flüssig ab und den alternativen Bakterien-Dünger Azotovit.» Brunner ist überzeugt, dass vor allem Letzterer zur guten Entwicklung der Büsche beiträgt. Ein Problem sind in der noch jungen Anlage aber die Schädlinge: «Vor allem Mäuse und Engerlinge machen uns das Leben schwer», sagt Stefan Brunner. Gegen den Dickmaulrüssler setzen sie Nematoden ein, was jährlich rund 1000 Franken koste. Lorena Brunner ist trotz allem überzeugt, dass die Heidelbeeren eine gute Zukunft haben. «In der Schweiz gibt es im Konsum noch viel ungenutztes Potenzial!» Die Heidelbeeren sollen auf dem 18-Hektaren grossen Ackerbau- und Gemüsebetrieb mittelfristig zum Hauptbetriebszweig werden.

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