Gerald Holliger verkauft in seinem Hofladen Gourmet-Tomaten neben Zweitklassgemüse. Das Konzept funktioniert.
Es ist gar nicht so einfach, bei einer Palette von 27 Sorten die passende Tomate zu finden. «Ist diese wirklich für Salat geeignet?» Die Frage des jungen Mannes erübrigt sich eigentlich, denn neben jeder Sorte steht ein gelbes Schild, auf dem die Eigenschaften ausführlich beschrieben sind. Gerald Holliger nimmt die Tomate, schneidet sie auf und erklärt dem Kunden, was es mit der Tomate auf sich hat. Obwohl Maria Holliger-Dziumbla und die festangestellte Verkäuferin Patricia Steffen für «Holliger’s Gmüeslädeli» verantwortlich sind, ist er oft im Laden in Unterentfelden AG anzutreffen. «Der direkte Kundenkontakt macht unheimlich Spass», sagt der Gemüsegärtner.
Das breite Tomatensortiment hat sich mittlerweile in der ganzen Region herumgesprochen. Selbst an diesem verregneten Mittwoch Morgen herrscht ein reges Treiben im Laden, der etwas versteckt hinter der Migros-Filiale liegt. Der Standort ist optimal, auch weil sich dort gleich noch das Gewächshaus mit der Produktion befindet. «Wir bringen die Leute so direkt zu den Kulturen», sagt Holliger. Die Kundschaft könne vor Ort beobachten, wie das Gemüse heranwächst. Rund zehn Prozent des Umsatzes erzielt er mittlerweile im Laden. Den grossen Rest im zwei Hektaren grossen Gewächshaus ausserhalb des Dorfes, wo er Rispentomaten und runde Tomaten für den Detailhandel produziert. Seine Leidenschaft ist aber im Gmüeslädeli zu Hause: «Der gefühlte Umsatzanteil des Ladens beträgt fünfzig Prozent.»
Erste neben zweiter Klasse
Der Laden profitiere natürlich von den Leuten, die nach dem Einkaufen in der Migros noch zu ihnen kämen. «Aber wir haben viel Stammkundschaft», sagt Maria Holliger-Dziumbla. Zu dieser gehört auch Josef Hirschhofer, der sich gerade einen bunten Tomaten-Mix zusammenstellt. «Hier finde ich noch Tomaten mit Geschmack», sagt er. Zudem schätze er das kompetente Personal und er wisse, dass die Tomaten ohne Chemie produziert worden seien. Manchmal bediene er sich auch nebenan bei der zweitklassigen Ware.
Und damit hatte das Ganze vor fast zwanzig Jahren angefangen. «Als wir den Betrieb übernahmen, merkten wir, dass es eine Nachfrage nach aussortiertem Gemüse gibt», sagt Holliger. Vor allem ausländische Kundschaft reisse sich manchmal richtiggehend um die zweitklassigen Tomaten und Gurken. Aber: Premium-Tomaten neben Ausschuss, beisst sich das nicht? Nein, das funktioniere hervorragend: «Der Kunde von heute kauft im Gourmet-Laden und im Aldi ein.» Rund zehn Prozent des Umsatzes erzielt der Laden mit zweitklassiger Ware. Geöffnet ist er von April bis Oktober an sechs Tagen in der Woche, jeweils am Vormittag von 8.30 bis 11.30 Uhr und nach einer langen Mittagspause am Abend von 16.00 bis 18.00 Uhr, dazu am Samstag durchgehend von 8.30 bis 13.00 Uhr. Die Tomaten sind der Hauptumsatzbringer im Laden. Dazu kommen fünfzehn verschiedene Paprika, Gurken in allen Grössen und Formen sowie Auberginen in ungewohnten Farben. Zugekauftes Freilandgemüse aus der Region vervollständigt das Gemüsesortiment.
Setzlingsbeschaffung immer schwieriger
Zurzeit testet Holliger gerade neue Gurkensorten. Bis jetzt kauft er die speziellen Setzlinge der Tomaten, Paprika, Gurken und Auberginen für den Laden bei seinem Lieferanten in Holland ein. Die Beschaffung von so vielen verschiedenen Sorten werde aber immer schwieriger, weil in der EU nur zertifiziertes Saatgut verwendet werden dürfe. Dabei wäre das Potenzial mit interessanten Sorten riesig, ist Holliger überzeugt. Am besten laufen in diesem Jahr bis jetzt die Datteltomaten. Beispielsweise die erdbeerenförmige Datteltomate, «die nach Honig duftet und trotz einem leicht dominanten Säureanteil süss im Anbiss ist», wie es auf dem Informationsschild heisst. Normalsterbliche können diese vom Sensoriker gemachte Charakterisierung möglicherweise nicht ganz nachvollziehen. Sie ist aber Teil des Einkaufserlebnisses, in das übrigens auch die Kinder integriert sind: Anstatt der Wurstscheibe wie beim Metzger erhalten sie hier alle ein Snack-Gürkli.
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