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15 Franken: Ein Tropfen auf den heissen Stein (BauernZeitung, 27. Dezember 2002)

Gefällter Hochstammbaum in Ermensee LU

Trotz Förderungsbeiträgen sinkt die Anzahl der Feldobstbäume weiter. Im rauen landwirtschaftlichen Klima bleibt kein Platz für Träumereien. Die Tage der unrentablen Hochstamm-Bäume sind gezählt.

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“ predigte einst Martin Luther von der Kanzel. Anders sehen dies offenbar die Bauern der Gegenwart. Diese sind nämlich froh, wenn Sie mit ihren Ladewagen nicht mehr um hochstämmigen Obstbäume rumkurven müssen. Trotz Bundesbeiträgen in Höhe von jährlich 40 Millionen Franken fallen immer mehr der ökologisch wertvollen Apfel-, Birnen- oder Kirschbäume der Axt zum Opfer. Ersetzt werden sie oft nicht mehr. Gerade in der gegenwärtigen schwierigen Situation fehlt den Bauern schlicht die Zeit, um sich um herumliegendes Fallobst zu kümmern, zumal die Bewirtschaftung von Hochstamm-Bäumen ein Verlustgeschäft ist. Wirtschaftlicher ist die Obstproduktion in Niederstammanlagen. Nur wird in diesen zurzeit zu viel produziert. Das drückt zusätzlich auf die Preise für Most- und Brennobst, die in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen sind.

Feldobstbäume stehen vor dem Aus

Trotz grosser Anstrengungen des Bundes und von Naturschützern stehen die Hochstammbäume endgültig im Abseits. Jährlich verschwinden weiterhin 7000 Bäume aus dem Landschaftsbild. Wuchsen vor 50 Jahren noch über 15 Millionen Bäume auf den Schweizer Feldern bleibt heute nach neusten Zählungen gerade noch Platz für 2,5 Millionen Stück, Tendenz weiterhin sinkend. Kürzlich trafen sich die betroffenen Parteien, darunter der Schweizerische Obstverband (SOV), das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und Pro Natura, zu einem Informationsaustausch über die Wirkung der Beiträge auf den Erhalt der Feldobstbäume. Die Bilanz fiel ernüchternd aus. Man muss sich unter solchen Umständen sogar fragen, ob die Gelder anstatt für einen „erloschenen Stern“ nicht effektiver eingesetzt werden könnten. „Es gibt kaum konkrete Vorschläge, die den

HOCHSTAMM SUISSE

(ep) – Vor sieben Jahren wurde unter der Federführung von Pro Natura das Label HOCHSTAMM SUISSE ins Leben gerufen. Die Marke garantiert die 100prozentige Produktion (IP- und Bio-Produktion) mit Obst von Hochstammbäumen. Die 64 Produzenten, die beim Label unter Vertrag stehen, erhalten einen Aufpreis für die aufwändigere Bewirtschaftung, falls sie an einen zertifizierten Verarbeiter liefern können. Bis zum heutigen Zeitpunkt existiert mit der Thurella AG allerdings erst ein grosser Verarbeiter für das Obst der Feldobstbäume. Die Verkäufe von Most, Apfelwein, Obstessig oder Bio-Kirsch unter dem Label nehmen aber jährlich zu. Nach Angaben von HOCHSTAMM SUISSE – Geschäftsführer Urs Chrétien werden in diesem Jahr zwischen 1000 und 2000 Tonnen Obst verarbeitet. Als Hauptgrund für diese eher geringe Menge sieht er in erster Linie das Abseitsstehen der Grossverteiler, die sich bis heute nicht dazu entschliessen konnten, das Label in ihr Sortiment aufzunehmen. Doch genau dorthin wollen die Initianten. Nur so könne wirklich ein Einfluss auf den Rückgang der Hochstamm-Bäume ausgeübt werden, erklärte Urs Chrétien auf Anfrage.

Rückgang der Feldobstbäume stoppen könnten“, äussert sich Beat Jans von Pro Natura nicht eben von der optimistischen Seite. Der SOV schlägt eine Verarbeitungszulage nach dem Muster der Käseverarbeitung vor. Dadurch würden die Obstproduzenten einen realistischen Preis erhalten, erklärt Josianne Enggasser, Leiterin Verarbeitung beim SOV. Von dieser Massnahme würden vor allem die Verarbeiter – insbesondere die für die Feldobstbäume bedeutenden Schnapsbrenner – profitieren und nicht die betroffenen Produzenten, befürchtet hingegen Beat Jans. Wirkungsvoller sei eine Zulage in der Art der Siloverbotszulage in der Milchwirtschaft. Beat Jans ortet ein grosses Potential auf der Absatzseite und setzt unter anderem auf die Verbindung zwischen Konsum und Naturschutz. Auf diese setzt beispielsweise das Label HOCHSTAMM SUISSE, welches vor sieben Jahren lanciert wurde. „Allerdings bin ich schon etwas enttäuscht, dass dieses Programm nicht von mehr Beteiligten unterstützt wird,“ erklärt er. Grundsätzlich herrscht auf der Absatzebene Ratlosigkeit vor, auch vom BLW fehlen Lösungsvorschläge. Es sieht ganz danach aus, als ob für die landschaftlich attraktiven Obstbäume auf den Feldern in einer modernen, dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Landwirtschaft schlicht kein Platz mehr ist.

Defizitärer Feldobstbau

Samuel Heger, beim BLW zuständig für die Qualitäts- und Absatzförderung, ist trotz allem überzeugt, dass die edlen Bäume auch künftig in der Landwirtschaft eine Rolle spielen werden. Er verweist auf unser Nachbarland Italien, wo man auch wieder vermehrt auf Olivenbäume in der Landschaft setze, da sich herausgestellt habe, dass diese für Nützlinge unentbehrlich seien. Zudem gebe es in der Schweiz eine optische Grenze, wo der Wegfall von Obstbäumen ins Gewicht falle. Solange sich die Bauern vom Erhalt der Feldobstbäume nichts kaufen können existiert allerdings eine solche Grenze nur in der Theorie. Dem Landwirt entstehen heute für 250 Kilogramm Mostäpfeln Kosten in der Höhe von rund 170 Franken. Bei einem Ertrag für die selbe Menge von 50 Franken ist der Bundesbeitrag von 15 Franken pro Baum allenfalls ein Tropfen auf den heissen Stein und motiviert niemanden zusätzlich, unter seinen Feldobstbäumen Äpfel zu sammeln.

www.hochstamm-suisse.ch

Veröffentlicht in Blog

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